Klimakiller Kompost

Telepolis 29.09.2011

Klimakiller Kompost

Roland Schnell 29.09.2011

Kompostierung wird meist als die „ökologische Technik“ schlechthin betrachtet

Eine unübersehbare Zahl von Büchern, Zeitschriftenartikeln und mittlerweile auch Web-Sites schwärmt von der segensreichen Wirkung des Materials, das aus der Zersetzung von Gartenabfällen, Ernterückständen oder auch Küchenabfällen entsteht. Sogar öffentliche Einrichtungen ziehen mit. So teilt das Landratsamt Altötting den Bürgern mit: „Mit der Kompostierung von organischen Abfällen gewinnt der Gartenbesitzer mehrfach. Er produziert nährstoffreichen Humus, unterstützt den natürlichen Kreislauf in seinem Garten und spart Geld durch geringere Entsorgungskosten für Grüngut und Kauf von Düngern.“

Damit sind die Vorteile umrissen. Von den Problemen erfährt man eher am Rande: Der Komposthaufen gilt als Schandfleck für den gepflegten Garten und steht in dem Verdacht, üble Gerüche abzusondern oder gar Ungeziefer anzuziehen. Eine erfindungsreiche Kleinindustrie hat deshalb hübsche Behälter entwickelt, die es mittlerweile in jedem Baumarkt zu kaufen gibt.

Ausgefeilte Systeme, wahre Kompostiermaschinen aus Kunststoff – oder für den, der es naturbelassener liebt, aus bestem Holz – sollen dem Gartenfreund ein schnelles und reproduzierbares Ergebnis garantieren. Damit es auch klappt, gibt es vom Baumarkt eine schriftliche Anleitung und sogar ein Video dazu.

Kompostierung ist Verbrennung – nur biologisch

Was biochemisch im Kompost abläuft, wird seit Jahrzehnten in allen Details untersucht, ist aber im Prinzip wenig umstritten: Es ist letztlich eine Oxidation, eine biochemische Verbrennung, und deshalb weisen alle Anleitungen darauf hin, wie wichtig die geregelte Luftzufuhr ist. Es geschieht im Prinzip das, was auch beim Anzünden der organischen Stoffe passieren würde, nur viel langsamer und bei niedrigerer Temperatur. Es sind Lebewesen, vom Mikroorganismus über Pilze bis zum Regenwurm daran beteiligt. Ihre Lebensfunktionen sind genau wie bei Mensch und Tier. Sie nehmen Sauerstoff auf, nutzen die Energie des organischen Materials und geben Kohlendioxid ab.

Und genau hier setzt die Kritik an. Kompostierung setzt Kohlendioxid frei, das inzwischen als das Klimagas schlechthin anerkannt ist. Zwar kann nicht mehr Kohlendioxid freigesetzt werden, als vorher beim Wachsen der Pflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen wurde. Wenn man es aber erreichen könnte, dass der in der Biomasse gebundene Kohlenstoff nicht wieder freigesetzt wird, hätte man eine Kohlenstoffsenke. Damit ließe sich der der CO2-Gehalt der Atmosphäre vermindern.

In den Böden ist weltweit mehr als dreimal soviel Kohlenstoff (2,5 Billionen t) festgelegt, wie in der Atmosphäre (0,7 Billionen t) enthalten ist. Pflanzen und Tiere zusammen bringen es sogar nur auf 0,56 Billionen t Kohlenstoff.

Humus bindet Kohlendioxid

Unter den Vorzügen der Kompostierung wird stets der „nährstoffreiche Humus“ aufgeführt. Dabei sind die Nährstoffe nur eine Seite des Humus. Der Dauerhumus im Boden ist eine komplexe Substanz, die ein optimales Gedeihen der Pflanzen überhaupt erst ermöglicht. In hydroponischen Kulturen lassen sich Pflanzen auch ohne Boden, was heißt ohne Humus, aufziehen. Grundlage ist eine Nährlösung mit allen erforderlichen Mineralien und Spurenelementen. Allerdings muss jeder Parameter sorgfältig überwacht werden. Computergesteuerte Regeleinrichtungen übernehmen nun das, was der Humus im Boden ganz von allein macht.

In der industriellen Landwirtschaft hat man geglaubt, ohne Humus auskommen zu können. Die Fuhre Stallmist, die der Bauer auf den Acker fährt, gilt als schlagendes Beispiel für Rückständigkeit und ineffizienten Einsatz von Dünger. Wie viel eleganter und wirksamer scheint es doch, einen Sack mit sauberem Mineraldüngers so dosiert zu verstreuen, dass die Pflanzen genau das bekommen, was sie brauchen. Soweit die Theorie.

Inzwischen findet der Humus wieder mehr Zuspruch. Man beginnt seine Funktion als „biochemisches Regelsystem“ wieder zu schätzen und intensiver zu erforschen. Auch ist Angst vor dem Klimawandel ein starkes Antrieb. Man hat herausgefunden, dass humusreiche Böden mit den Folgen des Klimawandels besser zurechtkommen. Trockenperioden lassen sich durch die Fähigkeit, die Niederschläge in der oberen Bodenschicht zu speichern, besser überbrücken. Im kritischen Bereich von 0,5% bis 2,5% Humus steigen die Erntemengen linear mit der Erhöhung des Humusgehaltes. Chemische Dünger und schwere Landmaschinen sind anscheinend nicht, wie es die Agrarchemie und Politik seit Jahrzehnten propagieren, Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

Allein durch Humusaufbau könnten Böden in den nächsten Jahren bis zu 1 t Kohlenstoff pro ha und Jahr auf Dauer festlegen. Dabei hat das Dauergrünland die Nase vorn. Andere Bewirtschaftungsformen kommen noch auf bis zu 0,5 t/ha und Jahr: Dabei ist der ökologische Landbau nicht unbedingt vorteilhafter.

Reste verkohlen

Die Kompostierung gilt traditionell als ein Verfahren zur Aufbereitung von Resten aus Landwirtschaft und Gartenbau. Das Ausbringen von unbehandeltem Ausgangsmaterial wäre nicht gut für den Boden, aber die Behandlung setzt Kohlendioxid frei und bringt damit nicht die theoretisch mögliche Menge Kohlenstoff in den Boden.

Manche Kompostierungsverfahren sind geradezu auf möglichst hohen Abbau der organischen Substanz ausgelegt. Insbesondere bei der Kompostierung von Siedlungsabfällen aus der Biotonne muss darauf geachtet werden, dass die Temperaturen so weit ansteigen, dass es zu einer Hygienisierung des Materials kommt. Für die Wärme sorgt der biochemische Ofen der Kleinlebewesen.

Nun richtet sich das Interesse auf Verfahren, die ursprünglich mit ganz anderen Motiven entwickelt wurden. So ist die Kompostierung von Siedlungsabfällen und Klärschlamm in den letzten Jahrzehnten ins Zwielicht geraten, weil im Endprodukt noch Giftstoffe verschiedener Art gefunden wurden, die mit biologischen Methoden nicht entfernt werden konnten. Manche wollten gleich alles verbrennen, was aber bei organischen Abfällen wegen des hohen Wassergehalts keine besonders effektive Methode darstellt.

Die Rettung kommt aus dem Urwald von Amazonien. Archäologen hatten dort die Spuren versunkener Hochkulturen entdeckt, die eine hochproduktive Landwirtschaft betrieben haben. Der Schlüssel scheint unter anderem in der Verwendung von Holzkohle zu liegen. Kleingärtner, die die Rückstände vom Grillabend (Asche und unverbrannte Grillkohle) auf den Kompost gegeben haben, haben davon schon profitiert.

Als „Terra Preta“ wird schon ein mit Holzkohle versetztes Pflanzsubstrat in Deutschland vermarktet. Das Projekt „TerraBoGa“ im Botanischen Garten von Berlin wird im Rahmen des Umweltentlastungsprogramms und aus Mitteln des Europäischen Fond für Regionale Entwicklung gefördert. Bislang ist es offensichtlich nicht gelungen, die jährlich etwa 750 m³ Grünschnitt, 350 m³ Gehölzschnitt, 230 m³ Langgrasschnitt und 150 m³ Stammholz zu dem benötigten 350 m³ Kompost zu verarbeiten. Nun sollen auch noch die Fäkalien der Besucher einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden.

Die Firma Palaterra fühlt sich verpflichtet, darauf hinweisen zu müssen, dass es nicht damit getan ist, Holzkohle im Boden zu vergraben und geht damit auf Distanz zur einfachen „Biokohle“, auch „Biochar“ genannt. Entscheidend seien die spezifischen Pilz- und Bakterienpopulationen, die den denen der orginalen „Terra Preta do Indio“ entsprechen würden. Diese Mikroorganismen kann man schon als Indio Essenz im Handel erwerben.

Holzkohle im Widerstreit

Die Beschaffung der Holzkohle stellt sich etwas komplizierter dar, falls hohe Anforderungen an Nachhaltigkeit bestehen. Holzkohle wird in Deutschland kaum noch produziert. Das meiste wird importiert, auch wenn dafür nicht unbedingt der Regenwald abgeholzt wird.

Manche stellen Holzkohle selbst her, indem sie Holzreste abbrennen und die verkohlten Reste einsammeln. Aber das ist mit noch größeren Verlusten verbunden als die traditionelle Herstellung, wie sie die Köhler betrieben haben. Die Wärme geht bei dieser primitiven Technik ebenso verloren wie gasförmige Nebenprodukte. Nur etwas Holzgeist (Methanol) und Teer haben die Köhler im Angebot. Effizienter sind geschlossene Systeme, bei denen die Abgase genutzt werden. Beim Retortenverfahren entstehen neben 25-30% Kohle auch 30-40% Holzessig, 10-15% Holzteer und 10-15% Holzgas. In der Regel wird Abfallholz eingesetzt.

Das Interesse an Terra Preta hat den Blick auf andere Rohstoffquellen gelenkt. In Indonesien werden Reishülsen bisher einfach verbrannt. Als Brennstoff sind sie wenig geeignet, da sie zur Hälfte aus Silikat bestehen. Das stört aber nicht, wenn sie als Briketts verkohlt und für Terra Preta eingesetzt werden.

Wiederkehr der Pyromanen

Jahrzehntelang wurde die Pyrolyse als Alternative zur Müllverbrennung propagiert. Millionenschwere Projekte sind an dem Versuch gescheitert, Abfälle zu entgasen und die gereinigten Gase mit hohem Wirkungsgrad zur Energiegewinnung zu nutzen. Was oft lästiges Beiprodukt war, der Pyrolysekoks, rückt nun in den Mittelpunkt des Interesses. Nun wird Biokohle durch thermochemische Zersetzung organischer Stoffe unter Sauerstoffabschluss und bei Temperaturen zwischen 350 und 900 °C hergestellt.

So wurde auch die Pyrolyseanlage der Pyreg GmbH ursprünglich für die Entsorgung für feuchte Abfälle, wie Klärschlamm, entwickelt. Das System, das in einem 20 Fuß-Container Platz findet, wird heute in der Schweiz zur Erzeugung von rund 350 t Pflanzenkohle im Jahr eingesetzt. Als Input werden rund 1.000 t landwirtschaftlicher Reststoffe, wie Grünschnitt, Rinde, Holz, Nadeln, Laub, Biotonne, Getreideabfälle, Stroh, Rapspresskuchen, Rübenschnitzel, Traubentrester, Olivenkerne, Nussschalen, Klärschlamm, Gärreste, Rechengut, Kaffeepulver, Kompost, Miscanthus, Silphium, Maissilage usw. usw. benutzt.

Die Pyrolyseanlage von Pyreg GmbH paßt in einen 20-Fuss-Container und erzeugt Pflanzenkohle aus landwirtschaftlichen Reststoffen. Bild: Ithaka – Journal für Terroir, Biodiversität und Klimafarming

Kann denn Kohle Bio sein?

Auch wenn die Firma noch Swiss Biochar heißt, ihr Produkt wird inzwischen als „Pflanzenkohle“ vermarktet. Eifersüchtig wachen die Anbauverbände des ökologischen Landbaus über die Verwendung der Vorsilbe „Bio“ und fordern eine Richtlinie in Anlehnung an die EU-Bioverordnung. Ein Entwurf will strenge Werte für Ausgangsmaterialien (Positivliste), deren Schadstoffgehalte, das Einzugsgebiet, aber auch für die Energiebilanz und die Emissionen der Pyrolyseanlagen festschreiben.

Vorsicht ist geboten, da viele auf den Zug „Biokohle“ aufspringen wollen, denen es nicht um nachhaltiges Wirtschaften, Bekämpfung des Hungers in der Welt und Klimaschutz geht. So soll dezentral gewonnene „Biokohle“ die Biomasse transportfähig für den Einsatz in den bestehenden, zentralen Kohlekraftwerken machen. Mit dem positiven Image von „Biokohle“ lässt sich auch die Pyrolyse von kontaminierten Abfällen besser verkaufen.

So ist die „Hydrothermale Carbonisierung“ (HTC) ursprünglich mit dem Anspruch angetreten, den gesamten in der Biomasse enthaltenen Kohlenstoff als Energieträger zu nutzen. Sie kann eine wässrige Suspension unter Druck bei Temperaturen von 180 – 220 °C innerhalb weniger Stunden in ein braunkohleartiges Material umwandeln. Die synthetische Braunkohle sollte ursprünglich komplett verbrannt werden. Nun wurde alternativ dazu auch die Umwandlung zu Pflanzenkohle als Markt entdeckt.

Seit einigen Jahren beschäftigen sich Universitäten und Großforschungseinrichtungen mit dem Thema. Einige haben sich schon zum Bundesverband Hydrothermale Carbonisierung e.V. zusammengeschlossen. Dessen Visionen sind mit der „Erzeugung von Synthesegas zur Verstromung in KWK-Anlagen, zur Herstellung von Biomethan zwecks Einspeisung ins Erdgasnetz, zur Produktion von Bio-Benzin und als Rohstoff für Festbrennstoffzellen“ sehr viel umfassender.

Kein Allheilmittel

Das Delinat Institut für Ökologie und Klimafarming (DIOK) in der Schweiz ist einer der Pioniere beim Einsatz von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft. In der Zeitschrift Ithaka – Journal für Terroir, Biodiversität und Klimafarming wird seit Jahren regelmäßig über die eigenen Arbeiten auf diesem Gebiet berichtet. In der Ausgabe 1/2011 warnt Hans-Peter Schmidt davor, die Kohle im Boden als Allheilmittel für alle Schäden der Zivilisation und gar als „letzte Chance für die Menschheit“ zu betrachten, wie es kürzlich von James Lovelock (Gaia-Prinzip) formuliert wurde:

Das Klimafarming-Konzept beruht nicht auf Pflanzenkohle, sondern auf Humuswirtschaft mit geschlossenen Stoffkreisläufen, Biodiversitätsförderung, Düngemittelreduktion, Ackerforstmethoden, Mischkulturen, Gründüngung, Kompost, Biogasgewinnung, Energieerzeugung, pfluglosem Anbau, nachhaltiger Tierhaltung und Artenschutz. Doch der intelligente Einsatz von Pflanzenkohle, durch den sich fast alle diese Bereiche optimieren lassen, könnte zum verbindenden Ansatzpunkt und Trojanischen Pferd zur Verwirklichung einer neuen Klima-Landwirtschaftkultur werden.

Hans-Peter Schmidt

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*