Der Harz

Paul Ernst

Der Harz

mit einer geologischen Uebersichtskarte sowie botanischen und kunsthistorischen Illustrationen

1925 Stuttgart Carl Krabbe Verlag Erich Gussmann

Quelle: archive.org

Die Waldarbeit Seite 108 f.

Noch viel mehr mit dem Walde verbunden wie die Holzhacker und Stukenroder sind die Köhler; sie müssen das ganze Sommerhalbjahr im Walde bleiben, denn der Meiler brennt Sonntag wie Alltag und tags wie nachts; sie haben deshalb auch noch weniger geregelte Arbeitszeit wie alle anderen Waldleute.

Der Bau und die Unterhaltung des Meilers ist eine ganz besondere Kunst, die von Vater auf den Sohn vererbt und in langen Jahren angeeignet wird; es heisst, dass ein Köhler nie auslerne.

Noch mehr wie die Holzhacker hängen sie mit Leidenschaft an ihrer Arbeit; und es wird erzählt, dass es nicht selten vorkomme, wenn ein Köhlermeister zu alt geworden ist, um seinen nicht nur schweren, sondern auch verantwortungsvollen Beruf noch auszuüben, und nun sein wohlverdientes „Gnadengeld“ bezieht, dass er dann sich wieder als Knecht um einen ganz geringen Lohn an einen anderen Meister verdingt für allerhand kleine Dienste, nur um wieder im Hai leben zu dürfen.

Jener ältere Schriftsteller, zu dessen Zeiten die Köhlerei noch in Blüte stand, erzählt von einem achtzigjährigen Köhlermeister, der sich von der Forstbehörde die Erlaubnis erbettelte, auf einer alten, verlassenen Kohlstätte hausen zu dürfen.

Dort baute er sich eine Köthe und richtete sich aus allerhband aufgelesenem Abfallholz einen kleinen Meiler zu, den er auf eigene Hand gar machte. Eines Morgens fand man ihn tot neben seinem ausgebrannten Meiler.

Wie dergestalt die Arbeit — was sie sollte — Zweck und nicht Mittel des Lebens wird und alle menschlichen Beziehungen regelt, so ergeben sich aus ihr auch allerlei Sitten, Rechte und Gewohnheiten, Feste und Freuden.

Etwa war früher, zu hannoverschen Zeiten, wo öfters der König oder ein Anverwandter des „höchsten Bergherrn“ auf den Harz kam, die „Aufwartung“ eine besondere Freude der Berg- und Waldleute.

Zu Ehren des Besuches formierte sich am Abend ein Zug der gesamten Belegschaften, jede Art von Arbeitern in ihrer bestimmten Tracht: die Bergleute im schwarzen Leinwandkittel, Hinterleder und Grubenlicht; vor ihnen die Beamten in der Puffjacke mit dem Häckel in der Hand; die Hüttenleute in grossen Lederschürzen mit langen Fackeln; die Fuhrherrn im blauen Kittel, breitkrempigen schwarzen Hut, manchesternen Kniehosen und langen Gamaschen, die lange Peitsche in der Hand; mit diesen Peitschen knallten sie kunstreich, wenn sie vor dem Balkon des Amtshauses vorbeizogen, wobei Anfang und Ende des Knallkonzerts ihnen durch ein Licht von einem bestimmten Dachfenster aus angegeben wurde; da trugen dann die Köhler schneeweisse Kittel und weisse Leinwandgamaschen, aber Gesicht und Hände liessen sie so schwarz, wie sie bei der Arbeit waren, ja, machten sie wohl noch schwärzer in Stolz auf ihren Stand.

Heute findet eine Aufwartung noch statt, wenn der Minister kommt; aber wenigstens die Berg- und Hüttenleute ziehen heute alle zwei Jahre zum Knappschaftsfest in ihrer alten Tracht auf.

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