Pflanzen wachsen auf (Holz-)kohle

Versuche und Beobachtungen über die Wirkung der vegetabilischen Kohle auf die Vegetation

Berliner Allgemeneine Gartenzeitung 1840

von Eduard Lucas (1816 – 1882)

(Quelle: Wikipedia.de) Der leitende Gärtner des Botanischen Gartens München, Seitz vermittelte Lucas eine Gehilfenstelle, die er am 1. April 1838 antrat. Er betreute den Kleinen Garten, der einige Glashäuser, ein Kakteenhaus und eine Anlage für Gemüsebau umfasste.[11] Durch seine umsichtigen Kulturmethoden gelang es Lucas, die ihm anvertrauten kümmernden Kakteen- und Palmenkulturen wieder in einen guten Zustand zu versetzen, wodurch die Professoren für Botanik von Martius und Zuccarini auf ihn aufmerksam wurden. Diese ermöglichten ihm aufgrund des gewonnenen Vertrauens die Teilnahme an botanischen Vorlesungen und Exkursionen an der Universität München. Lucas unternahm gärtnerische Kulturversuche, bei denen er der Pflanzerde Kohlenstaub zusetzte. Dabei beobachtete er, dass die so kultivierten Pflanzen sich durch besondere Wüchsigkeit auszeichneten. Die Ergebnisse konnte er auf Vermittlung des Chemikers A. Buchner in einer pharmazeutischen Zeitschrift veröffentlichen.[12] Auf diese Publikation wurde Justus von Liebig aufmerksam, der den Text daraufhin in sein bekanntes Werk Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie aufnahm.

In einer Abteilung eines niederen Warmhauses des botanischen Gartens zu München wurde ein Beet für junge tropische Pflanzen, statt der sonst gebräuchlichen Lohe, mit Kohlenstaub, der überall sehr leicht zu erhalten war, nachdem durch ein Sieb die größeren Kohlenstücke entfernt worden, ausgefüllt.

Die Heizung lief mittels einer 6 Zoll weiten Röhre von Eisenblech durch dieses Beet in einen hohlen Raum und teilte ihm so eine gelinde Wärme mit, was bei der Lohe durch den Prozeß ihrer Gehrung bezweckt wurde. Die in dieses Kohlenbeet eingesenkten Pflanzen zeichneten sich gar bald durch eine lebhafte Vegetation und ihr frisches gesundes Ansehen aus.

Wie es in dergleichen Beeten immer der Fall ist, daß nämlich die Wurzeln vieler Pflanzen durch die Abzugslöcher der Töpfe hindurchdringen und sich dann ausbreiten, so auch hier, nur zeigte sich das Auffallende, daß diese in Kohle durchgewurzelten Pflanzen sich durch Trieb und Üppigkeit vor allen anderen, z. B. in Lohe durchgewurzelten, sehr auszeichneten. Einige, unter denen ich nur die schöne Thunbergia alata und die Gattung Peireskia nenne, wucherten zum Erstaunen; erstere blühte so reichlich, daß Jeder, der sie sah, bestätigte, noch nie solche Exemplare gefunden zu haben. Auch setzte sie, was sonst meist nur nach künstlicher Bestäubung geschieht, ohne Zutun eine Menge Samen an. Die Peireskien kamen so stark in  Trieb, daß die Aculeata Loten von mehreren Ellen trieb und P. grandifolia Blätter von einem Fuß Länge machte. Solche Erscheinungen, wozu noch viele scheinbar geringere, wie das rasche Aufkeimen von Samen, die sich selbst ausgestreut hatten, das häufige Erscheinen junger Filices kommen, mußten natürlich meine Aufmerksamkeit rege machen, und ich wurde so nach und nach zu einer Reihe von Versuchen geführt, deren Resultate in doppelter Beziehung nicht uninteressant sein dürften, denn außer dem technischen Nutzen für die Kultur der meisten Pflanzen bieten sie auch in physiologischer Beziehung Manches dar.

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abgestorben, diese noch in üppiger Frische dastehen und teilweise blühen. Die Aroideen zeigten ein sehr rasches Wurzelvermögen, und ihre Blätter übertreffen an Größe die nicht so behandelten um Vieles; die Arten, welche wir ihrer schönen Färbung der Blätter wegen als Zierpflanzen ziehen (man denke nur an Caladium bicolor, pictum, paecile etc.), machten sich durch das lebhafteste Kolorit noch bemerkbarer; auch trat hier der Fall wieder ein, daß ihre Vegetationsperiode ungewöhnlich lang fortdauerte. Kaktus, die in einer Mischung von gleichen Teilen Kohle und Erde gepflanzt wurden, wucherten förmlich und überwuchsen ihre vorherige Größe in einigen Wochen um die Hälfte. Bei einigen Bromeliaceen und Liliazeen leistete die Anwendung der Kohle wesentliche Vorteile, ebenso bei Citrus, Begonia und selbst bei Palmen. In geringeren Quantitäten bei fast allen Pflanzenarten, bei denen man Sand zur Lockererhaltung der Erde anwendet; nach dem Verhältnis des Sandzusatzes, anstatt diesen beigemischt, verfehlte die Kohle ihre Wirkung nicht und erzielte immer eine kräftige Vegetation.

Zugleich mit obigen Versuchen der Untermischung der Kohle unter Erdarten wurde sie auch rein ohne Zusatz zur Vermehrung der Pflanzen angewendet und auch hierbei erhielt ich die erfreulichsten Resultate. Stöcklinge, von den verschiedensten Gattungen bewurzelten sich darin sehr schnell und gut; ich erwähne nur Euphorbia fastuosa und fulgens in 10 Tagen, Pandanus utilis in 3 Monaten, P. amaryllifolius, Chamaedorea elatior in 4 Wochen, Piper-nigrum, Begonia, Ficus, Cecropia, Chiococca, Buddleia, Hakea, Phyllanthus, Capparis, Laurus, Stifftia, Jacquinia, Mimosa, Kaktus in 8 bis 10 Tagen einige 40 Species, Ilex und viele andere. Doch auch Blätter und Blattstücke, selbst Pedunculi, wurden zum Wurzeln und teilweise zur Augenbildung in reine Kohle gebracht. So gelang es unter Anderem, die Foliola mehrerer Cycadeen zum Wurzeln zu bringen, eben so einzelne Teile des gefiederten Blattes von Bignonia Telsairiae und Jacaranda brasiliensis, Blätter von Euphorbia fastuosa, Oxalis Barrelieri, Ficus, Zyklamen, Polyanthes, Mesembrianthemum, auch zartlaubige Pflanzen, wie Lophospermum und Martynia, Stücke eines Blattes der Agave americana, Nadelbündel von Pinus etc., alle ohne einen Ansatz eines vorbereiteten Auges.

Zu Kurmittel für kranke Pflanzen hat sich auch die reine Kohle sehr vortrefflich bewiesen. So wurde z. B. eine Dorianthes excelsa, die seit drei Jahren immer nur zurückgegangen war, in kurzer Zeit völlig gesund hergestellt. Einem Pomeranzenbäumchen, welches die leider sehr häufige Krankheit, das Gelbwerden der Blätter, hatte, wurde dadurch, daß die obere Erdschicht hinweggenommen und 1 Zoll dick ein Ring von Kohle in die Peripherie des Topfes gestreut wurde, binnen 4 Wochen seine gesunde grüne Farbe wieder gegeben.
Derselbe Fall war bei Gardenia.

Es würde zu weit führen, alle Versuche mit ihren Resultaten, die mit der Kohle angestellt wurden, hier aufzuzählen; es gehört auch nicht mehr in das Bereich dieser Blätter, indem nur im Allgemeinen gezeigt werden sollte, wie die Kohle ihre Wirkungen auf die Vegetation äußerte. Ausführlichere Mitteilungen mögen die ehrlichen Leser, die besonderes
Interesse an diesem Gegenstande finden, in der Allgemeinen deutschen Gartenzeitung von Otto und Dietrich in Berlinin der Folge nachsehen.

Die Kohle, die zu obigen Versuchen angewendet wurde, war nur der staubige Abfall von Föhren- oder Fichtenkohle, wie derselbe bei Schmieden, Schlossern etc. in Menge umsonst zu haben ist. Dieses Kohlenpulver zeigte sich am wirksamsten, nachdem es einen Winter hindurch der Luft exponiert gewesen war.

Für die Folge werden aber auch Versuche mit Kohle von harten Holzarten, so mit Torfkohle, und mit tierischer Kohle angestellt werden, obgleich wohl mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen, daß keine derselben so entsprechen wird, als die Fichtenkohle, ihrer Porosität und leichtern Zersetzbarkeit wegen.

Zu bemerken ist übrigens, daß alle auf erwähnte Art zu behandelnden Pflanzen reichliches Begießen bedürfen, indem es leicht begreiflich ist, daß ohne dieses, da die Luft bei weitem leichter die Wurzelballen durchdringen und austrocknen kann, ein Mißlingen jedes Versuchs fast unvermeidlich ist.

Dieser Wirksamkeit der Kohle liegt wohl zuerst zu Grunde, die Teile der Pflanzen, die mit ihr in Berührung gebracht werden, seien es Wurzeln, Zweige, Blätter oder Blattstücke, eine geraume Zeit unverändert in ihrer Lebenstätigkeit zu erhalten, so daß das Individuum Zeit gewinnt, aus sich selbst die Organe zu entwickeln, die zu seiner weiteren Erhaltung und Fortpflanzung notwendig sind. Es leidet auch wohl fast einen Zweifel, daß die Kohle bei ihrer Zersetzung — nach mehreren, vielleicht 5 bis 6 Jahren ist dieselbe, wenn sie beständig in Tätigkeit bleibt, zu Kohlenerde geworden — Kohlenstoff oder Kohlenoxid der Pflanze in reichlicher Menge zuführt und durch diese Mitteilung des Hauptbestandteils der pflanzlichen Nahrung Wirkungen hervorzubringen vermag; wie wäre denn sonst das tiefere Grün und die Üppigkeit der Blätter, ja das ganzen Wachstums zu erklären, die bei der besten Kultur in irgend einer Erdart nach dem Urteil erfahrener Männer nicht erzielt werden konnte. Sie wirkt auch insofern äußerst günstig, als sie die von den Wurzeln absorbierten Teile zersetzt und aufsaugt und dadurch die Erde immer rein von faulenden Substanzen, die oft Ursache des Absterbens der Spongiolen sind, erhält. Ihre Porosität, so wie das Vermögen, das Wasser rasch aufzusaugen und nach geschehener Sättigung alles übrige durchsickern zu lassen, sind gewiß nicht minder Ursache der günstigen Ergebnisse. Welche nahe Verwandtschaft übrigens die Bestandteile der Kohle zu allen Pflanzen haben müssen, geht daraus hervor, daß alle angestellten Versuche die Bemühungen krönten, und zwar bei der großen Verschiedenheit der Pflanzenfamilien, die denselben unterworfen wurden.

Erstveröffentlichung in  Buchner’s Repertorium, II. Reihe XIX. Bd. S. 38.)

1 Kommentar

  1. Sehr schön, danke für das abtippen 🙂
    Genau nach diesem Thema habe ich im Internet gesucht, schon erstaunlich wie viel Wissen bereits in Büchern vorhanden ist aber der Allgemeinheit nach und nach zugänglich gemacht werden kann.
    Tatsächlich fand ich sehr wenige Informationen über das Pflanzen mit Kohle im Internet

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