Biokohle kann das Klima schützen, die Böden verbessern und die Bauern unabhängig machen
Franz Leutner in Tagwerk-Zeitung Nr. 114 Seite 15 (2011)
Der Kohle gehört die Zukunft. Allerdings auf eine andere Weise, als es sich RWE und Vattenfall vorstellen. Hatte bislang die Kohle den Klimawandel beschleunigt, wird sie künftig die Atmosphäre wieder abkühlen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass wir keine fossile Kohle mehr verfeuern und dafür Holz- bzw. Biokohle herstellen.
Holzkohle kann aus Holz und landwirtschaftlichen Reststoffen nahezu emissionsfrei gewonnen werden. Ihre Herstellung ist sogar „kohlenstoffnegativ“, d.h. es wird mehr CO2 der Atmosphäre entzogen als freigesetzt. Die Verkohlung durch ein thermodynamisches Verfahren, bei dem Pyrolyse mit Holzvergasung kombiniert wird, hat drei Vorteile: Die Abwärme der VeTgasungs- technik wird zu Heizzwecken verwendet. Das Gas wird verströmt und eingespeist. Die entstehende Holzkohle ist ein vielseitig verwendbarer Rohstoff und ein wertvoller Bodenverbesserer.
Überzeugend skizziert der ehemalige Bundestagsabgeordnete Hans Josef Fell die „globale Abkühlung“ durch Einsparung (Nullemission) bei gleichzeitiger CO2-Absen- kung durch Humusaufbau.
Seine Überlegung: Ab einer Tonne Biokohle je Hektar beginnt ein beschleunigter Humusaufbau und ein verbessertes Wachstum. So könnten auch schlechte Böden fruchtbar gemacht und z.B. aufgeforstet werden. Da die Pflanzen CO2 zu Kohlenstoff veratmen, würden sich in ca. 30 Jahren bis zu 100 Tonnen Kohlenstoff pro
Hektar dauerhaft anreichern. Findet auf 10 % der Landflächen der Erde dieser Humusaufbau statt, wird die Atmosphäre um 200 Gigatonnen CO2 entlastet. Wenn im gleichen Zeitraum die Energiewende durch Sonne, Wind & Co. den CO2-Ausstoß auf nahe Null reduziert, besteht eine echte Chance, die Erderwärmung zu stoppen.
Ein Masterplan wartet auf seine Umsetzung
Dieser Masterplan zeigt, was möglich wäre. Allerdings schaut es nicht so aus, als würden sich die Regierungen unseresPlaneten dazu durchringen, solche Pläne umzusetzen. Zumindest nicht so schnell wie notwendig. Trotzdem zeigt ein «Was wäre wenn?«, die Zielrichtung für einen Lösungsweg. Findige Akteure einer nachhaltigen Landwirtschaft gehen bereits erfolgreich voraus.
So werden Kohle, Steinmehl und Starterbakterien inzwischen von vielen Landwirten eingesetzt, um Gülle, Stallmist und Gartenkompost zu verbessern. Der als Gentechnikkritiker bekannte Christoph Fischer aus dem Chiemgau zeigt hier mit Information und entsprechenden Produkten (Effektive Mikroorganismen) vielversprechende Wege. Allerdings gibt es noch Fragezeichen. So müssten z.B. die Herkunft und Qualität der Holzkohle klar geregelt werden, um ökologisch inakzeptable Gewinnungsmethoden und kontraproduktive Transporte zu unterbinden.
„Am sinnvollsten und nachhaltigsten wäre es, wenn die Landwirte ihre Holzkohle selbst herstellen und von fremder Energie unabhängig, ja sogar zu Energieversorgern werden würden.“ Diese Ansicht vertritt der Anlagenbauer Hans Söhl aus Obertauf-
kirchen, ein genialer Techniker und Experte für die Holzgasgewinnung. Auf dem Gelände seiner Metallwerkstatt schnurrt das Ergebnis seiner mehrjährigen Entwicklungsarbeit und versorgt das Werkstattgebäude seit 2009 mit Wärme und (eingespeistem) Strom. Pro Kubikmeter Hackgut erzeugt er ca. 200 kWh Energie. Etwa 10% des Rohstoffs werden dabei zu Holzkohle umgewandelt, weshalb er seine Pyrolysetechnik auch Kohleanlage nennt.
Methode mit Dreifachnutzen
Die Kombination von Land- und Forstwirtschaft (Agroforstwirtschaft) und einer unkomplizierten Technik für hofeigene Energie und Kohle ist für Söhl die Zukunft. »So können wir den Klimawandel in den Griff bekommen, die Ertragskraft unserer Böden verbessern und die Bauern unabhängig werden lassen.«
Modellcharakter hat auch der TAGWERK-Betrieb von Irene und Josef Braun bei Freising. Die Brauns produzieren in der Kombination Holzvergasung und Photo- voltaik mehr als doppelt soviel Strom wie sie selbst verbrauchen. Der Rohstoff für die Holzvergasung kommt von den Hecken und Baumreihen, die zwischen den Weideflächen und Feldern an gepflanzt wurden.
Die befürchteten Ertragseinbußen durch Beschattung und Nährstoffkonkurrenz sind nach Söhls Ansicht im Grunde Vorteile. Zwar würde anfangs der Flächenertrag um ca. 5% abnehmen, was durch die Energieerzeugung in der betrieblichen Gesamtbilanz leicht ausgeglichen werden kann.
Langfristig wird sich der Humusgehalt durch organisches Material (Laub) und Kohle jedoch steigern. Zudem schützen Hecken und Bäume vor Wind und Erosion und fördern ein günstiges Kleinklima.
Die Nachteile? Eigentlich hat dieses System nur Vorteile, betont Söhl. »Es hilft unser Klima zu retten und ist zugleich hoch produktiv. Letztlich wesentlich produktiver als die konventionelle Landwirtschaft.«
Die Beweise für seine These wachsen vor seiner Haustüre. Mit der gleichen Leidenschaft, mit der er technische Anlagen austüftelt, experimentiert er mit Holzkohle und beschäftigt sich mit dem Aufbau von Terra Preta (fruchtbare Schwarzerde), Bokashi und Wurmkomposten. Trotz seiner gartenbaulichen Erfolge sieht er sich immer noch am Anfang. Söhl: »Holzvergasung, Holzkohle, Energieerzeugung und Bodenverbesserung sind ein ineinandergreifendes System, dessen Nutzen umso größer wird, je mehr wir dieses System anwenden.«
Köhler, Kohle, Klimaschutz – Wie funktioniert das eigentlich mit der Biokohle?
Johann (Blasi) Wimmer mit freundlicher Unterstützung von Hans Söhl, Anlagenbauer in Obertaufkirchen Lkr. Mühldorf
Ein dreifacher Nutzen steckt in der Nutzung von Biokohle: regenerative Energieerzeugung, Bodenverbesserung durch Humusaufbau und Klimaschutz durch die langfristige Speicherung von Kohlenstoff im Boden (Kohlenstoffsenke).
Ein riesengroßes Potenzial also, das es erst noch auszuschöpfen gilt.
Biokohle, das ist jede aus organischen Stoffen gewonnene Kohle, also auch Holzkohle, deren Nutzung wiederum eine lange Geschichte aufweist. In vorindustriellen Zeiten stellte sie, vor allem bei der Verhüttung von Erzen, eine wichtige Energiequelle dar.
Heutzutage beschränkt sich ihre Verwendung hierzulande vor allem auf sommerliche Grillabende. Doch auch diese Grillkohle wird, etwa in Ländern wie Rumänien, zum Teil noch immer im althergebrachten Verfahren, der Verkokelung im Holzkohlenmeiler hergestellt.
Beim Meilerverfahren wird das Holz bei etwa 450 °C in Kohle mit einem Kohlenstoffanteil von ca. 75 % umgewandelt. (Die Ausbeute beträgt ca. 45 Vol-% von der Ausgangsmenge.) Die dafür notwendige Energie entsteht durch die Verbrennung eines Teils des Kohlenstoffs; der ebenfalls erforderliche Sauerstoff entstammt, anders als bei einer offenen Verbrennung, im Wesentlichen dem Holz selbst, dessen Anteil bei etwa 45 % liegt. Die entstandene Energie geht bei diesem Verfahren verloren, Nebenprodukte gelangen zum Teil in die Umwelt, zum Teil in die Holzkohle.
Die moderne Variante des Meilerverfahrens ist das sogenannte Retortenverfahren, bei dem die Energie für die Verbrennung von außen zugeführt wird, was höhere Tempera-
turen und eine bessere Ausbeute an Holzkohle mit höherem Kohlenstoffanteil ermöglicht. Nebenprodukte wie Holzteer, Holzessig und Aromastoffe werden in der Industrie und der Veterinärmedizin genutzt.
Während bei den beiden genannten Verfahren die Erzeugung von Holzkohle im Vordergrund steht, geht es bei der Holzvergasung vor allem um die Energieerzeugung. Aus 1 m3 Hackschnitzel entstehen dabei ungefähr 200 kWh, daneben 3 bis 10% hochwertige Holzkohle (Kohlenstoffanteil 80 %). Dieses Verfahren ist bei uns vor allem aus der Nachkriegszeit bekannt, als aus Mangel an fossilen Brennstoffen auch Fahrzeuge damit angetrieben wurden. Dabei wird das Holz vorerhitzt, so dass Gase austreten, die mit verbrannt werden. Dadurch steigt die Energieeffizienz im Vergleich zur einfachen Verbrennung deutlich an.
Aus Biomasse wird Gas + Biokohle
Da bei der klassischen Holzvergasung alle Prozesse im selben Behälter, dem sog. „Reformer“ ablaufen, sind diese schwer steuerbar, und es kommt als Brennstoff nur hochwertiges, trockenes Holz in Frage. Anders bei der Pyrolyse, die mit jeder Art von Biomasse durchgeführt werden kann. Diese wird zunächst in einer röhrenförmigen Konstruktion getrocknet und anschließend unter Luftabschluss kontinuierlich erhitzt, wobei sie verschiedene Temperaturzonen durchläuft. In der letzten Stufe werden Temperaturen von etwa 500 °C erreicht. Im Verlauf dieses Erwärmungsprozesses wird zunächst Wasserdampf freigesetzt, anschließend ein stark teerhaltiges Gas (Hauptbestandteil: Kohlenwasserstoff). Dieses wird verbrannt, die freiwerdende Energie wird zum Teil verwendet, um den Pyrolyseprozess in Gang zu halten, die Restwärme kann zum Heizen genutzt werden.
Zum Starten des Prozesses ist allerdings Energie von außen erforderlich, etwa in Form von Erdgas.
Die ‘Gestufte Vergasung’ kombiniert Pyrolyse und Holzvergasung
Aus den verbleibenden Feststoffen entsteht Biokohle mit einem Kohlenstoffgehalt von
ca. 75 %. Die Gewinnung von Biokohle ist auch der Hauptzweck der Pyrolyse, für die jede Art von Biomasse als Ausgangsmaterial dienen kann, auch anderweitig nicht mehr verwendbare Substanzen wie Klärschlamm. Dieser wird durch die Abbauprozesse in der Regel so weit entgiftet, dass die Rückführung der so entstandenen Biokohle in die natürlichen Stoffkreisläufe verantwortbar erscheint.
Das von Hans Söhl entwickelte Verfahren der Gestuften Vergasung schließlich stellt eine Kombination von Pyrolyse und Holzvergasung dar und einen Versuch, die dabei ablaufenden Prozesse zu optimieren. Es erfordert keine Energiezufuhr von außen, die Abwärme der Anlage wird optimal genutzt zum Trocknen und Vorwärmen der Biomasse, und das bei der Pyrolyse entstehende Gas wird durch Oxidation gereinigt und so seine Verbrennung erleichtert. Es entsteht mehr Kohle als bei der klassischen Holzvergasung (35 % dereingebrachten Biomasse mit einem Kohlenstoffanteil von 70 bis 80 %) und mehr und höherwertige Energie (etwa 130 kWh pro m3 ) als bei der Pyrolyse. Auch kann, und das ist wichtig, jede Art von Biomasse als Brennstoff verwendet werden.