Glühstoff

»Bei den industriellen Anlagen zur Holzdestillation taucht Ende des  19. Jahrhunderts der Begriff »Glühstoff« auf, den heute niemand mehr kennt.

Im Werk in Brilon-Wald gab es ein Lager der Deutschen Glühstoffgesellschaft mit Sitz in Dresden, die das sogar im Briefkopf erwähnte.

In der zweiten Auflage des Werks „Chemische Technologie der Neuzeit“ von 1925 findet sich auf Seite 136 im Abschnitt »Holz« die folgende Beschreibung:

  • Zur Herst. von porösen Briketts mischt die Deutsche Glühstoffgesellschaft m. b. H. (D.R.P. 141 343, 19. 4. 1901) dem Preßgut vor der Verkokung NaHCO3 oder KHCO3 oder ein NH4-Salz zu, während Bühler (Z. angew. Ch. 1901. 14. 617) für den gleichen Zweck die pulverigen verkohlten Abfälle mit dem gleichen Gew. frischen Sägemehls und mit Teer mengt und nochmals verkokt.

Selbst die IG Farben bemühte sich noch 1943 um die Entwicklung eines Glühstoffs (Bericht 536 des Technischen Prüfstands Oppau). Offensichtlich um Starterbatterien (im russischen Winter?) vor dem Einfrieren zu bewahren und aus Braunkohle, da Holzkohle nicht verfügbar sei.

Der Glühstoff wurde überall da eingesetzt, wo man eine sicher handhabbare und gefahrlose Wärmequelle brauchte. Die  Deutsche Glühstoffgesellschaft warb in vielen Zeitschriften mit witzigen Anzeigen für die Vorteile ihres Bügeleisens der Marke »Dalli« als Entzücken der Frauen.

Aber die Einführung des elektrischen Stroms verdrängte nach und nach die dezentralen Wärmequellen auf der Basis von Holzkohle. Die Pferde-Omnibusse und Straßenbahnen, die viel Glühstoff abgenommen hatten, wurden von elektrischen Bahnen abgelöst.

In einem Buch über die »Grundzüge des Kleinbahnwesens« aus dem Jahr 1895 wird auf Seite 289 die Situation bei der Dresdener Straßenbahn beschrieben, die Glühstoff (Patent Martin) in den Pferdebahnwagen unter den Sitzen verwendet. Allerdings lohne sich das nur im Durchgangsverkehr nach den Vororten, wie die Fahrgäste eine halbe bis dreiviertel Stunden in den Wagen zubringen müßten, nicht im Stadtverkeht. Die Kosten werden mit 0,60 bis  0,70 Pf pro Wagen und Tag angegeben. Die Installation kostet 50 Mark pro Wagen.

Für den Haushalt gabe es neben dem Bügeleisen auch den Bratröster für 4 bis 9 Mark je nach Größe. Der Glühstoff sei in Haushaltswarengeschäften erhältlich oder wurde auf Bestellung auch mit der Post verschickt.

Anzeige 1894 im Deutschen Kalender

 

 

 

Die Deutsche Glühstoffgesellschaft m. b. H. wurde von dem Dresdener Unternehmer Max Elb gegründet, der auch den bekannten Rostlöser  Caramba erfunden hat. Die Deutsche Glühstoffgesellschaft wurde 1945 enteignet.

In der »Verkehrszeitung und Industriellen Rundschau«von 1893 Seite 240 gibt es eine genaue Beschreibung der Funktionsweise und Leistung des Bügeleisens und des »Steward«-Bratrösters.

Glühstoff-Plätteisen und „ Steward“. Bratröster der Deutschen Glühstoff-Gesellschaft in Dresden .

(Mit Abbildungen , Fig . 161–165.)

Als eine Erfindung, welche geeignet ist, sich in kürzester Zeit die volle
Zustimmung unserer Hausfrauen zu erwerben , ist diejenige des von der Deutschen Glühstoff -Gesellschaft in Dresden in den Handel gebrachten neuen Glühstoffes (Patent Martin der Hülstener Gewerkschaft) und der damit zu beheizenden Plätteisen und Bratröster zn betrachten.

Dieser Glühstoff welcher in Form handlicher, kleiner, acheckiger Prismen geliefert wird, ist fast reiner Kohlenstoff und verbrennt ohne Rauch und Geruch.

Die wichtigste Anwendung findet der Glühstoff  im Haushalte und in vielen Gewerbszweigen beim Plätten und Bügeln. Hierbei sind nun sowohl jede Ofenglut als auch aller Kohlendunst, die so heftige Kopfschmerzen verursachen, beseitigt. Daher kann das Plätten stundenlang, ja sogar den ganzen Tag ohne Unterbrechung vonstatten geben. Die Hitze des Eisens bleibt sich während der ganzen Zeit gleich und ist man mit dem Plätten an keinen Ofen oder Herd gebunden, sodass man sowohl im Zimmer als im Freien diese Thätigkelt ausüben kann.

Das hierzu construirte Plätteisen , welches ca. 3 1/2 kg wiegt, also die für Hausbaltungen nöthige Schwere hat, wird nicht mittels glühend ge­machter Bolzen (Stähle) erhitzt , sondern die in die Plätte gelegten Glühkörper geben dem Plätteisen die nöthige Hitze, sodass man ununterbrochen, ohne Pausen und Zeitverlust zu bügeln im Stande ist.

Der Glühstoff wird nur einmal bei Beginn der Arbeit an Kohlengluth oder, wenn eine solcbe nicht zur Verfügung steht, mit etwas Spiritus zum Anglühen gebracht.

Gegenüber dem Plättverfahren mit Holzkohlen hat dasjenige mit Glühstoff den großen Vortbeil, daß es das oftmalige Anfachen, Nachlegen und Funkensprühen, namentlich aber die schädliche Kohlenoxydgasentwicklung wegfällt. In dieser Beziehung spricht sich Dr. E. Kayser in Dresden in einem Gutachten wie folgt aus :

„Die Verwendung des Glühstoffs (Patent Martin) zum Plätten und Bügeln kann in hohem Grade als empfehlenswerth bezeichnet werden. Selbst bei Anwendung einer sehr bedeutenden Anzahl Glühkörper konnten in den Verbrennungsproducten keine wesentlichen Mengen schädlicber Gase (Kohlenoxyd überhaupt nicht) nachgewiesen werden etc.“

Der grösste Vorthell dieser Erfindung liegt jedoch in deren Billigkeit. Mit 7 Stück Glühkörpern, welche zusammen ca. 6 1/2 Pfennig kosten, kann man ohne Unterbrechung 2 1/2 – 3 Stunden bügeln.

Der Preis eines gewöhnlichen Plätteisens stellt sich anf 3 M 60 Pf., eines 6 kg schweren für Damenschneiderei auf 6 M. Außerdem sind jedoch noch besondere Glühstoff-Bügeleisen mit auawechselbarem Gewichte-block für das Schneidergewerbe zum Preise von 8, 10 und 12 M zu haben. Der gesetzlich geschützte Scbnellbratröster und Tischherd „Ste w a r d“ ist aus starkem Eiaenblech solid gearbeitet, Roststäbe und die Rinne zum Auffangen von Fett slnd stark verzinnt. Man kann dem Apparat verschiedene Stellungen geben ; die schräge zum Rösten nnd Braten und die gerade zum Kochen und Wannhalten.

Bei 6 – 10 Glühkörpern, die man mittels Spiritus zum Glühen bringt, kann man im Zimmer wie im Freien ein Essen für eine Familie bereiten. Nach dem Gebrauch nimmt man den Rost ab, hakt die Vorrichtung zum Schrägstellen aus und bedeckt den Kasten mit dem Blechdeckel, es erlöschen dann die Glühkörper nnd können , vorausgesetzt, dase sie noch nicht gänz­ lich ausgebrannt sind, beliebig wieder angezündet und verwendet werden.

Der Apparat kostet je nach seiner Grösse 4, 9 bis  25 Markl und sind so­ wohl das Plätteisen ale der Bratrost in allen grösseren Haushaltungsgeschäften zu haben.

In der Patentschrift wurde die Herstellung erläutert.

DE 141 343

DEMCD-Nebenklasse: C10B 53/02(2006.01,A)

CPC: C10B 53/02 CPC: Y02E 50/10 ECLA: C10B 53/02 ECLA: Y02E 50/14

Die aus Holzkohlen bestehenden, geruchlos verbrennenden, unter dem Namen »Glühstoff«, »Charbon de Paris«, »Natrocarbon« usw. bekannten Heizbriketts für Bügelzwecke, Samowars und Wärmevorrichtungen aller Art werden gewonnen durch Vermischen des Holzkohlenstaubes mit teerartigen, koksbildenden Stoffen. Das Gemisch wird in Formen gepreßt und die geformten, weichen Briketts werden dann getrocknet und zuletzt unterLuftabschluß geglüht, verkokt. Ein bei solchen verkokten Briketts sehr schwer erreichbares Erfordernis ist die leichte Entzündbarkeit und ein ruhiges Fortbrennen derselben bei der vom Verkehr verlangten, gleichzeitigen nötigen Härte und Festigkeit. Letztere Eigenschaften sind an sich leicht zu erreichen durch starkes Pressen,doch leidet darunter die Entzündbarkeit, und solche zu fest gepreßten Briketts brennen nur schwer weiter, weil die Luft nicht genügende Eintrittspunkte findet. Bei unverkokten Holzkohlenbriketts läßt sich die leichte Endzündbarkeit und ein gleichmäßiges Fortbrennen erzielen durch Beigabe von Sauerstoffträgern, wie Salpeter, chlorsaures Kali und dergl. Bei verkokten Briketts dagegen ist der Zusatz Sauerstoff abgebender Körper vor der Verkokung nicht angängig, weil hier die Reaktion schon beim Verkokungsprozeß ablaufen und Zersetzung der beigemischten Stoffe eintreten würde. Die nachträgliche Tränkung mit Lösungen solcher Salzewürde eine nochmalige Trocknung bedingen und außerdem die Briketts zerbrechlich machen. Hier ist daher Entzündbarkeit und Fortbrennen nur beigenügender Porosität, wodurch ausreichender Luftzutritt ermöglicht ist, zu erzielen. Die Herstellung solcher verkokter poröser Briketts ergab bis jetzt große Schwierigkeiten. Das nachstehend beschriebene Verfahren gestattet dagegen in einfachster Weise, je nach Bedarf mehr oder weniger poröse und doch feste Briketts zu erzeugen. Das Verfahren besteht darin, daß man dem kalten Preßgut Gas abgebende Stoffe, wie Natriumbikarbonat, Kaliumbikarbonat, Ammonsalze und dergl., beimischt, die Briketts dann formt, trocknet und hierauf in bekannter Weise verkokt. Die Gase entweichen hier bei der Verkokung und lockern die Briketts, ohne sie in ihrem Zusammenhang irgendwie zu beeinträchtigen. Die Gasabgabe findet in diesem Falle nicht schon beim Trocknen statt, sondern erst im Glühofen vor beendigter Verkokung, also in einem Zustande,wo das heiße Brikett noch dehnbar ist.Dieser Vorgang ist es auch, welcher das vorliegende Verfahren in seinem ganzen Wesen gegenüber der bereits bekannten Herstellung von porösem Koks durch Beimischung gasabgebender Stoffe zu den zu verkokenden Steinkohlen unterscheidet. Bei diesen Verfahren, wie sie beispielsweise durch D. R. P. 87 416 bekannt geworden sind, hat man der zu verkokenden Steinkohle zerkleinerte Vegetabilien zugesetzt. Diese geben allerdings bei derVerkokung auch Gas ab, aber erst bei der Verkohlungstemperatur von 400 bis 500 °C, einer Temperatur, bei welcher die Holzkohlenbriketts erhärtet sind

Wollte man an Stelle der. genannten gasabgebenden Mittel der Beschreibung im vorliegenden Falle beispielsweise derartige zerkleinerte Vegetabilien anwenden, so erzeugte man zwar Poren, aber die Briketts würden bröcklig werden und sowohl an Haltbarkeit und Härte als auchan Form verlieren. Der Koks nach dem Verfahren des Patentes 87 416 enthält zwar große Hohlräume, aber es läßt sich, da das gasabgebende Mittel nicht überall fein verteilt ist, mit diesem Verfahren niemals eine ganz feinporige homogene Masse schaffen, wie sie für den vorliegenden Fall unbedingt gebraucht wird und wie sie nach dem vorliegenden Verfahren dadurch erzielt wird, daß die gasabgebenden Salze ganz fein pulverisiert in der Brikettmasse verteilt sind und ihr Gas bereits vor der Verkokungstemperatur abgeben, d;. h. also solange die Brikettmasse hinterher noch abbindet und erhärtet. Es binden also die Briketts des vorliegenden Verfahrens nach geschehener feinporiger Auflockerung in ihrer gesamten Masse später ab.

Patent-Anspruch: Verfahren zur Herstellung poröser verkokter Holzkohlenbriketts, dadurch gekennzeichnet, daß dem Preßgut vor der Verkokung Natriumbikarbonat, Kaliumbikarbonat, Ammonsalze oder ähnliche beim Erhitzen Gas abgebende Salze zugesetzt werden.