Brilon-Wald

Von 1880 bis 1995 wurde in Brilon-Wald eine industrielle Anlage zur Holzverkohlung betrieben.

Nach der Schließung des Werks wurde die Geschichte vom Heimatschutzverein Brilon-Wald e.V. erforscht und dokumentiert. Die ehemaligen Mitarbeiter des Werks (Degussaner), das lange zu Degussa gehört hat, treffen sich bis heute.

Das Werk wurde 1995 von dem letzten Besitzer (Chemviron) geschlossen. Die technischen Anlagen wurden entfernt und teilweise in anderen Werken weiter verwendet. Die Gebäude wurden abgerissen. Lediglich der sogenannte »Essigturm« blieb, da unter Denkmalschutz, erhalten. Auf dem Gelände hat sich 2019 die Firma  Condensator Dominit GmbH aus dem Briloner Ortsteil Bremecketal angesiedelt.

Die Dokumentation umfaßt mehrere Teile, von denen sich einige mit der Entwicklung der Verkohlung von Holz im Allgemeinen beschäftigen, und zeigt das Auf und Ab dieser Branche mit ihren engen Verbindungen zur Metallurgie und Chemie, später auch durch die Aktivkohle zum Personen- und Umweltschutz.

Der Anlaß für die Gründung 1880 war die Produktion von Holzkohle für die Stahlherstellung der Hüstener Gewerkschaft  mit Walzwerk in Hüsten an der Ruhr (heute ein Stadtteil von Arnsberg im Hochsauerlandkreis). Wie damals üblich wurden im Gegensatz zum traditionellen Meilerbetrief bei der industriellen Holzverkohlung auch die Nebenprodukte (Teer, Essig und andere organische Verbindungen) aufgefangen und genutzt.

In der Fachliteratur war – wegen der Bedeutung der flüchtigen Produkte – von der »trockenen Destillation des Holzes« (engl. dry distillation) die Rede. Es gab in den USA und in Europa (Deutschland, Skandinavien, Balkan) hunderte von Industrieanlagen, meist in abgelegenen Waldgebieten, aber mit Bahnanschluß für den Transport der Rohstoffe und Produkte.

Typisches Beispiel ist die „Margina-Resita” Distilerie de Lemm Unite S. A, R. in Temesvar mit Fabriken (Stand 1939) in Margina (235 Arbeitern), Reșița (170 Arbeiter) und Valea Minisulut (120 Arbeiter), die Calciumacetat, Methanol, Aceton, Essigsäure, Formal­dehyd usw. herstellen. Ein Überblick über die Situation 1943 zeigt beträchtliche Unterschiede in den einzelnen Ländern.

Die Anlage 1910 wurde der HIAG (Holzverko)übernommen, mit der es vorher schon eine Kooperation gegeben hatte. 1928 wurde auf die Herstellung von Aktivkohle umgestellt, die nur zum Teil aus Holzkohle hergestellt wurde.

Der damalige Werksleiter Theophil Reichert fand ein Verfahren, den bis dahin üblichen Betrieb in Retorten auf größere Menge anzuwenden (Reichert-Retorte). Diese wurden auch in dem Werk in Bodenfeld eingesetzt, wo sie bis heute verwendet werden.

Den Zweiten Weltkrieg überstand das Werk relativ glimpflich und hätte weiter produzieren können, wenn es nicht an Rohstoffen gefehlt hätte. Bis 1981 investierte die Degussa wenig in die Erneuerung der Technik.

Am 1. Mai 1988 wurde der Bereich Aktivkohle mit den Werken in Bodenfeld und Brilon-Wald an einen US-amerikanischen Konkurrenten (Calgon Carbon Corporation ) verkauft. Dieser fasste die Werke in Deutschland in der Chemviron Carbon GmbH in Neu-Isenburg zusammen, die in der »Chemiron – A Kuraray Company« aufgegangen ist.

1992 wurde nach über 100 Jahren die Verkohlung von Holz eingestellt. Die Produktion von Aktivkohle wurde 1995 beendet. Das Gelände wurde an die Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG) übergeben, die es soweit sanieren wollte, daß es wieder bebaut werden kann. Ein 3 ha großes Industriegebiet im Rahmen der Dorferneuerung wurde als besondere Herausforderung betrachtet. Auch die Unterlagen des Unternehmens wurden übernommen.

Die Befürchtung, man hätte sich kostspielige Altlasten eingehandelt, erwies sich als unbegründet: 40.000 Tonnen mit belastetem Boden wurden versiegelt. Es handelte sich um Kalkmilchschlämme, die bei der Produktion in den Anfangsjahren der Fabrik (etwa 1880 bis 1930) angefallen und Jahrzehnte unbeachtet auf dem Gelände gelegen hatten. Weitere 8.000 Kubikmeter wurden fachgerecht entsorgt. 

Die Dokumentation des Heimatschutzverein Brilon-Wald e.V. umfaßt verschiedene Dokumente, die einen guten Einblick in die Industriegeschichte der Holzverkohlung im industriellen Maßstab geben.

  • Eine Einführung in die Technik
  • Eine detaillierte Beschreibung der Entwicklung von der Gründung bis 1949 von Brocksiepe
  • Ein Bericht von Theophil Reichert zur Situation 1945
  • Biografien von relevanten Personen (Georg Krell, Theophil Reichert)
  • Fotos vom Werk aus verschiedenen Perioden
  • Ein Lageplan mit Erläuterungen zu den Gebäuden

Einige Teile, die nur von lokalhistorischem Interesse sind, wie Wohnhäuser der Mitarbeiter oder Bauakten von einzelnen Gebäuden des Werks wurden nicht berücksichtigt.

 

 

 

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