Rumänien 1939

Mobilisierung rumänischer Rohstoffe

Rationalisierung der Holzwirtschaft mit deutscher Hilfe.

Die im Anschluß an den deutsch-rumänischen Wirtschaftsvertrag vom 23, März 1939 auf­genommenen Vorbesprechungen haben bereits zu einem bemerkenswerten Ergebnis geführt. Am 13, Mai d. J. konnte ein Abkommen über den ge­meinsamen Ausbau der rumänischen Holzwirtschaft unterzeichnet werden. In diesem Abkommen ver­pflichtet sich Deutschland, seine Mitarbeit an der Erschließung der rumänischen Waldgebiete und zur weiteren Intensivierung der rumänischen Forstwirt­schaft zur Verfügung zu stellen. Die Mitarbeit be­zieht sich insbesondere auf den Ausbau des Wald­straßennetzes und auf die Lieferung von Transport­mitteln, Arbeitsgeräten und Saatgutgewinnungsanla­gen. Ferner ist Deutschland bereit, den Auf- und Ausbau industrieller Anlagen durch Errichtung von Betrieben und Lieferung von Maschinen und sonsti­gem Material zu fördern. Insbesondere ist hierbei die Errichtung von Sägewerken, Zellstoffabriken, Holzverkohlungsanlagen, Fabriken zur Gewinnung von Gerbstoffen, Harzgewinnungsanlagen usw. in Aussicht genommen.

Der Nutzen, der sich aus dieser Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen auf dem Gebiete der Forst- und Holzwirtschaft ergibt, soll beiden Län­dern in gleichem Maße zugute kommen. Rumänien wird nach Durchführung der ins Auge gefaßten Ar­beiten in der Lage sein, nach Deutschland große Mengen an Holz, Gerbstoffen, Holzkohle, Harz und anderen Erzeugnissen zu liefern. Die Holzlieferun­gen werden der deutschen Holzwirtschaft eine Ent­lastung bringen, denn nach den Ausführungen, die Generalforstmeister Staatssekretär Alpers dieser Tage auf der Reichsarbeitstagung des Fachamtes Wald und Holz der DAF. in Graz machte, beträgt der heutige Nutzholzbedarf Großdeutschlands rund 80 Mill. Festmeter im Jahr, von denen etwa 10 Mill, eingeführt werden müssen. Im Grunde genommen ist aber der deutsche Einfuhrbedarf bedeutend höher, da der Einschlag den Neuzuwachs beträcht­lich übersteige und etwa 20 MilL Festmeter jährlich nur durch Uebernutzung erstellt werden könnten. Rumänien wiederum erhält durch die deutsche Mit­arbeit die Möglichkeit, seine Forstwirtschaft zu rationalisieren und aus seinen umfangreichen Holz­vorkommen größeren Nutzen zu ziehen.

Rund 6% Mill. ha, das ist fast ein Viertel der gesamten Fläche Rumäniens, sind mit Wald bestan­den; besonders die Bukowina und Siebenbürgen verfügen über große geschlossene Waldungen. Der Wald besteht zum größten Teil aus Laubhölzern, und zwar zu 38% aus Buchen, zu 24% aus Eichen und zu 13% aus sonstigen Laubbäumen. Nur ein Viertel der Bestände entfällt auf Nadelholz. Bei einem jährlichen Zuwachs von etwa 19 Mill. cbm liegt der laufende Einschlag zwischen 18 und 20 Mill. cbm. Allerdings ist der Anteil des Bau- und Nutzholzes am Gesamteinschlag mit etwa 43% noch recht gering, und mehr als die Hälfte wird auch heute noch als Brennholz verwendet. Ein Teil des geschlagenen Holzes wird im Lande selbst nutzbar gemacht. Die rumänische Holzindustrie umfaßte Anfang 1937 insgesamt 709 Betriebe mit rund 40.000 Beschäftigten. Das investierte Kapital belief sich auf 2,3 Mrd. Lei, die Erzeugung erreichte 1937 einen Wert von etwas über 2,5 Mrd. Lei. Die Holz­ausfuhr betrug im Durchschnitt der letzten Jahre etwa 4 Mill. cbm (davon 3 Mill. cbm Nutzholz). Bei rationeller Forstwirtschaft und Einschränkung des Brennholzverbrauches durch stärkere Verwen­dung von Erdöl, Erdgas und Kohle werden sich die für Ausfuhrzwecke verfügbaren Holzmengen be­deutend steigern lassen.

Unter den Industriezweigen, die einheimisches Holz als Rohstoff verwenden, ist zuerst die Cellu- lose- und Papierindustrie zu nennen, die durch etwa 150 Betriebe mit 14 000 Beschäftigten vertreten ist. Die Erzeugung ist in den letzten Jahren ständig er­weitert worden und dient heute nicht nur zur Deckung des Inlandsbedarfs, sondern kann schon zu einem wesentlichen Teil nach dem Ausland ge­liefert werden. Im Jahre 1938 betrug die Cellulose- ausfuhr 6.500 t für 51,2 Mill. Lei gegen 7.700 t für 66,6 Mill. Lei 1937 und 8.800 t für 45,7 Mill, Lei 1936. Der rumänische Zellstoffbedarf wird aber in den kommenden Jahren beachtlich zunehmen, so daß ein Ausbau dieses Industriezweiges keineswegs Absatzschwierigkeiten zur Folge haben wird. Wäh­rend bisher wichtigster Abnehmer für Cellulose die Papierindustrie war, werden in absehbarer Zeit die Kunstseide- und Zellwolleindustrie als Cellulosever- braucher sicherlich eine größere Rolle spielen. Die Papiererzeugung, die 1937 62 800 t erreichte, ist 1938 allerdings auf 61.300 t leicht zurückgegangen. Nach neueren Meldungen arbeiten die Papierfabri­ken wieder unter Ausnutzung ihres gesamten Lei­stungsvermögens, da die Absatzverhältnisse sich grundlegend gebessert haben sollen.

Größte Entwicklungsmöglichkeiten bieten sich jetzt der rumänischen Holzverkohlungsindustrie, die trotz der günstigen Rohstofflage im Rahmen der Gesamtindustrie nur eine ganz untergeordnete Stel­lung einnimmt. Es bestehen zur Zeit vier Holzver- kohlungsfabriken mit etwas über 600 Arbeitern, Der Gesamtproduktionswert beläuft sich schätzungs­weise auf 80—100 Mill. Lei im Jahr, Haupterzeug­nisse sind außer Holzkohle und Holzteer Essigsäure, Calciumacetat, Methanol, Formaldehyd und Aceton. Die Industrie deckt schon seit Jahren nicht nur den gesamten Inlandsbedarf, sondern stellt auch große Mengen für den Export zur Verfügung. Form­aldehyd wird größtenteils im Inland abgesetzt und hauptsächlich zur Herstellung von Desinfektions­und Waschmitteln verbraucht. Auch ein Teil der Acetonerzeugung wird vom Inland zur Herstellung von verdichteten Gasen, Sprengstoffen, Farben und Lacken aufgenommen. Im Durchschnitt der letzten Jahre erreichte die Ausfuhr von Holzverkohlungs- produkten einen Wert von 1,5 Mill. JM. Die wichtig­sten Ausfuhrprodukte sind Holzkohle und Methanol. An Holzkohlen sind 1938 7550 t für 13,4 Mill. Lei ausgeführt worden gegen 9780 t für 15,6 Mill. Lei 1937 und 13 .100 t für 16 Mill. Lei im Jahre 1936. Hauptabnehmer war im letzten Jahr Ungarn.

Das Altreich hat bisher so gut wie gar keine Holzkohle aus dem Ausland bezogen, dagegen hat die Ostmark einen größeren Einfuhrbedarf (1937 Einfuhr 9.700 t. Im Zusammenhang mit dem Aus­bau der Zellwolleindustrie, die einen ständig stei­genden Bedarf an Schwefelkohlenstoff hat, und in­folge der erhöhten Verwendung von Holzkohle auf anderen Gebieten wird Deutschland gezwungen sein, in absehbarer Zeit größere Mengen Holzkohle einzuführen. Die rumänischen Fabriken, die, wie aus den Ausfuhrzahlen ersichtlich, in den letzten Jahren auf den Auslandsmärkten starke Absatz­rückgänge zu verzeichnen hatten, werden hierdurch die Möglichkeit erhalten, einen wesentlichen Teil ihrer Holzkohleerzeugung nach Deutschland zu liefern. Von Bedeutung sind gegenwärtig in Rumä­nien nur folgende zwei Firmen:

  • „Margina-Resita“ Distilerie de Lemm Unite S. A, R. in Temesvar (AK. 11 Mill. Lei): Die Firma besitzt eine Fabrik in Margina mit 235 Arbeitern, eine Fabrik in Resita mit 170 Arbeitern und eine weitere Fabrik in Valea Minisulut mit 120 Arbeitern. Erzeugt werden: Calciumacetat, Methanol, Aceton, Essigsäure, Formal­dehyd usw.
  • „Darmanesti“ Distilerie de Lemm in Darmanesti (AK. 11 Mill. Lei); Die Firma beschäftigt etwa 45 Arbeiter und gewinnt Holzverkohlungsprodukte verschiedener Arten.
Endlose Wälder und die Holzverkohlungsfabrik in Resita
Endlose Wälder rund um die Holzverkohlungsfabrik in Resita

Die in Aussicht genommenen Lieferungen ru­mänischer Gerbstoffe nach Deutschland werden sich auf rohe Gerbstoffe beschränken müssen, da die rumänische Gerbextraktindustrie noch nicht einmal den Inlandsbedarf decken kann. Bis vor wenigen Jahren wurden Gerbstoffextrakte in Rumänien überhaupt noch nicht hergestellt; der gesamte Be­darf mußte durch Einfuhr gedeckt werden. Die Re­gierung unterstützt jetzt jedoch die Entwicklung der  Gerbmittelindustrie durch verschiedene Maßnahmen, um eine Verringerung der Einfuhr zu ermöglichen.

Von Bedeutung sind bisher nur die Firmen ,,Industria Maramureseana“ S. A. in Viseul de Sus und „Tanara“ S. A. Fabrica Chimica in Temesvar. Die erste Firma verfügt über ein Kapital von 1,5 Mill. Lei, die zweite über ein solches von 2,6 Mill. Lei.

Im letzten Jahr sind an Gerbstoffextrakten aller Art 8,705 t für 142 Mill. Lei eingeführt worden gegen 8.112 t für 128 Mill. Lei 1937, Fast die Hälfte der gesamten Bezüge kam aus Großbritannien (4092 t); ferner lieferten Jugoslawien 1874 t, die Niederlande 641 t, die Türkei 540 t, Frankreich 526 t und Deutschland 131 t.

Von weiteren holzverarbeitenden Industriezweigen ist nur noch die Zündholzindustrie erwähnenswert, die ebenso wie die Sprengstoffindustrie Gegenstand eines Staatsmonopols ist. Es bestehen zur Zeit drei Fabriken in Bukarest, Temesvar und Klausenburg, die zusammen 350 Personen beschäftigen, Von den erforderlichen Rohstoffen können neben Holz auch Leim und Paraffin im Inland beschafft werden, während die übrigen Ausgangsstoffe zum Teil aus dem Ausland eingeführt werden.

Wenn auch die rumänischen Waldbestände sich zu drei Vierteln aus Laubhölzern zusammensetzen, so bestehen auf Grund der vorhandenen Nadelhölzer doch gute Aussichten für die Entwicklung der Harzgewinnung. Von diesen Möglichkeiten ist bisher so gut wie gar kein Gebrauch gemacht worden; es ist noch nicht einmal der Versuch unternommen worden, aus den Koniferenwäldern wenigstens die zur Deckung des eigenen Bedarfs erforderlichen Mengen herauszuholen. Die Durchführung der jetzigen Pläne wird der rumänischen Außenhandelsbilanz eine nicht zu unterschätzende Entlastung bringen, denn die Einfuhr an Harz und Harzprodukten ist nicht unbeträchtlich. So sind 1938 eingeführt worden: 3600 t Rohharz für 34,3 Mill. Lei, 3600 t Kolophonium für 34,3 Mill. Lei und 681 t Terpentinöl für 11,8 Mill. Lei,

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*