Zur Geschichte der Holz- und Aktivkohlefabrik in Brilon-Wald (1880 – 1995)

Ortsvorsteher Dr. H. Mirbach, Hammerweg 1,  12. Februar 1999

Vor knapp 150 Jahren (1847 -1850) wurde eine Chaussee von Brilon nach Willingen durch das Tal des Baches „Hoppecke“ ge­baut. Bis dahin stand im Bereich des heuti­gen Ortes Brilon-Wald kein Haus. Etwa dort, wo die Lüttmecke in die Hoppecke mündet und zuletzt die Firma „Zimmerei und Sägewerk Wilh. Hillebrand“ arbeitete – also etwas nördlich vom heutigen Ort – gab es seit 1847 die „Lohmühle“, wo unter Ausnutzung von Wasserkraft Eichenrinde zu Lohe (Gerbstoff) vermahlen wurde. Der dort ansässige Johann Gruß („Lohhännes“) betrieb außerdem eine Sägemühle, eine Spatmühle und ein Ausflugslokal. Nach Fertigstellung des Bahnhofs der Eisen­bahnlinie von Schwerte nach Warburg, die gegen den Widerstand der Briloner durch das Hoppecketal geführt worden war, baute er eine Gastwirtschaft im heutigen Brilon-Wald. Außerdem siedelten sich dann viele andere Familien hier an und 1880 wurde eine Fabrik zur industriellen Erzeu­gung von Holzkohle, Essigsäure und ande­ren Chemikalien gegründet, die dann die weitere Entwicklung von Brilon-Wald stark beeinflußte.

Die Schließung dieses Werkes im Jahre 1995 habe ich zum Anlaß genommen, mich mit der Geschichte der Fabrik etwas näher zu beschäftigen und diese für die Nachwelt festzuhalten.

Auf folgende Literatur dazu möchte ich hinweisen:

  1. Alfred Bruns: „Brilon 1816 -1918”, her­ausgegeben 1888, S. 122 ff, S. 212 f, S. 379, S. 356 ff, S. 469, S. 472
  2. Friedo Flügge, Degussa Frankfurt/Main: „Aus Forschung und Produktion“, her­ausgegeben 1953, S. 395 – 415
  3. Hermann Reuther (Rath), Rudolf Brüschke: „Bruchhausen/Ruhr“, S. 218 – 232
  4. Josef Högemann: „Die Eisenbahn im Altkreis Brilon“, herausgegeben 1988, S. 36 und 37

Weitere Einzelheiten zur Geschichte des Ortsteils Brilon-Wald habe ich in einem Heftchen zusammengefaßt, das im Mai 1996 als Entwurf für ein Heimatbuch ver­öffentlicht wurde.

Folgende Zusammenstellungen füge ich hinzu:

  • Beschreibung der im Werk eingesetzten Produktionsverfahren
  • Chronologischer Überblick über die wichtigsten Ereignisse in der Werksge­schichte.
  • Personen und Familien, die für das Werk besonders wichtig waren.
  • Liste der Wohnhäuser der Werksmitar­beiter in Brilon-Wald.

. Beschreibung der Werksgebäude mit Lageplänen

  • Den Text meiner Ausführungen im „Bri­loner Heimatbuch“, Band IV, S. 88 ff, herausgegeben 1995 (Anhang 1)
  • Ausführungen von Theodor Brocksiepe und Theophil Reichert über die Werks­geschichte (Anhänge 2 und 3).
  • Sammlung von Bildern mit Werksan­sichten (Anhang 4).

Nur für das Archiv der Stadt Brilon:

  • Sonderdrucke über die Holzverkohlung, über die Aktivkohle und über Holztrans­portbänder.
  • Bilder

Die im Werk eingesetzten Produktionsverfahren.

  1. Holzkohle und Nebenprodukte

1.1 Holzverkohlung

Holzkohle entsteht, wenn man Holz unter Luftab­schluß auf etwa 400° erhitzt.

Bis 1935 wurde in Brilon-Wald jeweils ca. 1 Fest­meter (fm) luftgetrocknetes Buchenholz (im Durch­schnitt 730 kg Holz mit einem Restwassergehalt von 160 kg) in die noch heißen gemauerten Be­hälter („Retorten“) eingefüllt. Die Türen wurden verschlossen und mit Lehm luftdicht abgeschlossen. Bis zum Einsetzen der Verkohlungsreaktion be­heizte man die Retorten von außen durch Verbren­nen von Gas, Holzresten, Teer und Steinkohle. Anschließend wurde die glühende Holzkohle in eiserne Behälter abgefüllt, in denen sie durch Be­rieseln mit Wasser abgekühit wurde. Es entstanden so etwa 200 kg Holzkohle.

Ab 1934 wurden die Reichert-Retorten eingesetzt, die 40 Festmeter Holz faßten und bei denen die Beheizung durch Hindurchleiten heißer, sauerstoff­freier Gase erfolgte. Seit 1965 war den Reichert­Retorten ein Holztrockner vorgeschaltet der mit heißen Abgasen aus der Verkohlung und von den Aktivkohleanlagen beheizt wurde.

Dieses Verfahren ist ausführlich in der Literatur beschrieben: Ullmanns Encyklopädie der techni­schen Chemie, Band 12, S. 703 – 708 (ein Son­derdruck ist für das Archiv der Stadt Brilon beige­fügt).

Das Abkühlen erfolgte in Behältern, die eine Retor­tenfüllung (ca. 8 t Holzkohle) faßten, indem in Rie­selkühlern mit Wasser abgekühlte Luft im Kreislauf hindurchgeleitet wurde.

1.2 Holzkohle-Sortierung

Für viele Verwendungszwecke wurde grobstückige Holzkohle ohne Feinanteile benötigt. Letztere wur­den daher abgesiebt.

Die abgesiebten Feinanteile wurden in den letzten Jahrzehnten noch einmal in eine Siebanlage gege­ben, in der mehrere Siebe mit unterschiedlichen Maschenweiten eingebaut waren. Auf diese Weise erhielt man mehrere Komfraktionen, die als „Holz­kohlegrieß“ (mit einer Kennzahl für die jeweilige Körnung) verkauft oder zu Aktivkohle weiterverar­beitet wurden.

Die bei dieser Siebung anfallende kleinste Körnung (Staub) wurde bis 1972 zu Briketts und ab 1928 zu Aktivkohle verarbeitet.

1.3 Holzkohlebrikett-Herstelluna

Feinvermahlene Holzkohle wurde innig mit Binde­mittel (Holzteer oder Stärkelösung) vermischt, zu Briketts (davon gab es viele Formen) verpreßt und getrocknet. Teerhaltige Produkte wurden dann unter Luftabschluß (um das Bindemittel zu zersetzen) geglüht. Eine besondere Form der Briketts war das „Durferrit-Kohlungsgranulat“, das in Form kleiner Zylinder verkauft und bis zuletzt in der Anlage zur Herstellung von Schwelgut für die Formkohle­-Produktion gewonnen wurde. Vor dem Verpacken mußte dieses Produkt sehr sorgfältig in einem klei­nen Drehrohr mit kalter Luft abgekühlt werden, weil es sich sonst entzündete.

1.4 Nebenprodukt-Verarbeitung

Beim Verkohlungsprozeß bildeten sich heiße Gase, aus denen sich durch Abkühlen ein großer Teil kon­densieren ließ. Die nicht kondensierbaren Substan­zen („Holzgas“) enthielten brennbare Bestandteile. Holzgas wurde verbrannt, die entstehende Wärme wurde verwendet.

Das Kondensat bestand aus 2 Phasen: Holzteer (unten) und „Rohholzessig“. Aus dem Rohholzessig wurden „Holzgeist“, „Holzessig” und weiterer Holz­teer gewonnen.

1.41 Holzgeist

Rohholzessig wurde auf etwa 80° erhitzt. Was dabei verdampfte und dann wieder kondensiert wurde, bezeichnete man als Holzgeist, der etwa 45 % Methanol und viele andere Stoffe enthielt. Bis etwa 1960 wurde dieses Produkt im Werk Bruchhausen weiterverarbeitet, danach erfolgte die Verbrennung im Kesselhaus.

1.42 Essigsäure

Nach dem Abtrennen des Holzgeistes wurde der Rückstand als „Holzessig“ bezeichnet. In diesem Produkt sind etwa 13 % Essigsäure und 10 % was­serlösliche Teerbestandteile enthalten; der Rest ist Wasser, das teilweise aus dem Wassergehalt des bei der Verkohlung eingesetzten Holzes stammt, sich aber auch beim Verkohlungsprozeß bildet. Obwohl Essigsäure erst bei 128° siedet, läßt sie sich nicht durch einen einfachen DestilJationsvorgang von Wasser trennen.

Bis 1938 wurde in Brilon-Wald Holzessig mit Kalkmilch vermischt und die dabei entstehende Lösung filtriert und dann eingedampft. Dabei bil­dete sich ein Feststoff: Holz- oder Graukalk ge­nannt, chemisch Calciumacetat. Dieses Produkt wurde schon vor 1895 zur Weiterverarbeitung (Essigsäureherstellung im Werk Bruchhausen oder Acetonherstellung im Werk Öventrop) verschickt.

Ich gehe jedoch davon aus, daß in den ersten Jah­ren des Bestehens der Fabrik in Brilon-Wald aus dem Graukalk durch Umsetzen mit Schwefelsäure auch Essigsäure gewonnen wurde, denn in den Zeitungen sprach man zum Zeitpunkt der Werks­gründung auch von einer „Essigfabrik“. In einem Bericht der Industrie- und Handelskammer Arnsberg für das Jahr 1884 heißt es, daß in Brilon eine Es­sigfabrik neu angelegt wurde, in der jährlich 3000 hl sehr starken, aromatischen Essigs produziert wer­den können. Außerdem wird in einem alten Lage­plan ein kleiner Turm, der früher Bestandteil des Gebäudes 13 (früher „Aufbereitungshaus“, zuletzt Teerdestillation) war, als „Essigturm“ bezeichnet.

Bei der Filtration der Mischung von Holzessig mit Kalkmilch wird ein bräunlich-weißer Schlamm ab­getrennt. Diesen findet man heute noch bei Aus­schachtungen im Südteil des Holzplatzes und auch noch südlich davon. Vermutlich wurde dort zunächst auch Gips abgelagert, der als Nebenprodukt der Essigsäureherstellung aus Graukalk anfällt. Wahrscheinlich waren es die Schwierigkeiten, die wegen der Deponie dieses durch Teerbestandteile verun­reinigten Schlammes entstanden, die zu einer früh­zeitigen Einstellung der Essigsäuregewinnung in Brilon-Wald führten.

Von 1938 -1974 und Von 1983 – 1993 wurde die Essigsäure im Gebäude 16 mit einem flüssigen Lösungsmittel, dem Äthylacetat, aus dem Holzessig extrahiert und durch Destillation zu 90%iger Essig­säure aufgearbeitet, die in anderen Werken – zuletzt in Bodenfelde – zu Speiseessig-Essenz veredelt wurde. Bei der Essigsäure-Abtrennung mit Äthylacetat bleibt Wasser zurück, das einen hohen Anteil an gelöstem Teer enthält und dessen Beseitigung im­mer erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Seit 1983 wurde dieses Abwasser in Anlagen des Aktivkohle­betriebs verbrannt. Da aber die Einleitung dessel­ben in den Untergrund und in die Hoppecke schon 1974 behördlich verboten wurde, erfolgte die Ab­trennung der Essigsäure von 1974 bis 1986 nach einem anderem Verfahren, das aber wegen des hohen Energieverbrauchs zu jährlichen Mehrkosten von rund einer Millionen Mark führte: Dem Holzes­sig wurde Butylacetat beigefügt. Dieser Zusatz er­laubte es, das Wasser durch Destillation abzutren­nen. Damit entstand ein nur schwach belastetes Abwasser. Man trennte ebenfalls durch Destillation die Essigsäure vom Butylacetat, das wieder in das Verfahren eingebracht wurde.

1.43 Holzteer

Der bei der Kondensation der Verkohlungsgase und der Aufarbeitung des Kondensats anfallende Holz­teer wurde durch Erhitzen eingedickt, um Binde­mittel für Briketts und Aktivkohle zu gewinnen. Bis 1960 wurden Anteile, die daher abdestittierten („Teeröle“), in Bruchhausen aufgeaFbeiteL Seit 1960 erfolgte die Aufarbeitung dieser Öle in Brilon­Wald (unter Mitverwendung von Holzteer aus Bo­denfelde). Gleichzeitig begann man mit der Her­stellung von „Holzpech“ (sehr stark eingedickter Teer). Teerprodukte, die nicht weiterverarbeitet oder verkauft werden konnten, wurden thermisch verwertet (Dampfgewinnung).

1.44 Kreosot

Von 1960 bis etwa 1982 wurde aus hochsiedendem Teeröl mit Natronlauge eine Phenolgemisch her­ausgelöst, mit Schwefelsäure wieder freigesetzt, durch mehrfache Destillation gereinigt und dann als „Kreosot“ an Arzneimittelfirmen verkauft.

1.45 Eisenbeize

Durch Lösen von Eisenblech-Abfällen (teilweise aus der Stanzerei der damals noch existierenden Fabrik „Max Fischer KG”, Korbacher Str.3 in Brilon-Wald) in Holzessig wurde von etwa 1950 – 1979 eine Lö­sung – Eisenbeize genannt – gewonnen, mit der man Pelze und Holz färben konnte.

2. Aktivkohle

Eine zusammenfassende Darstellung über Aktiv­kohlen enthält Ullmanns Encyklopädie der techni­schen Chemie, Band 14, 1977, S. 620 – 634 (ein Sonderdruck ist für das Archiv der Stadt brilon bei­gefügt).

In Brilon-Wald wurde Aktivkohle ausschließlich durch Aktivierung von Kohlenstoff mit Wasser­dampf bei Temperaturen über 800° hergestellt, wobei ein Teil des Kohlenstoffs entsprechend der folgenden Reaktionsgleichung vergast wurde, was zur erwünschten Porenbildung führte:

C + H2O = H2 + CO

Auf diese Weise wurden sehr viele Aktivkohle­-Sorten in Brilon-Wald hergestellt, die wegen der Rohstoff-Art und der Rohstoff-Form, der Art und der Intensität der Aktivierung ihre unterschiedlichen Eigenschaften erhielten.

2.1 Rohstoffe

Eingesetzt wurden Holzkohle (grobstückig oder verschiedene Grießsorten), Torfkoks (grobstückig), Steinkohle (Anthrazit, feinstückig) und Braunkohle (Braunkohlen-Schwelkoks, feinstüekig), sowie ge­brauchte Aktivkohle (diese wurde regeneriert). Die Aktivierung erfolgte teilweise ohne weitere Be­handlung der Komform. Es wurde aber auch Mate­rial In Form von Zylindern mit Durchmessern von 0,9, 1,2, 1,6, 3 oder 4 mm (die Länge war unter­schiedlich, im Durchschnitt entsprach sie dem 2,5­ fachen Durchmesser) aktiviert (Herstellung der Zy­linder siehe unten).

2.2 Art der Aktivierung

Längerfristig durchsetzen konnte sich in Brilon-Wald nur die Aktivierung in Schachtöfen und in Drehroh­ren.

2.21 Schachtofenaktivieung (1948-1995)

Es konnte hier nur grobstückiges Material (Holz­kohle, Torfkoks) eingesetzt werden, das nahezu kontinuierlich in gemauerte Schächte (0,2 m breit, 1 m tief, 5 m hoch) von oben eingefüllt und unten abgezogen wurde. Wasserdampf wurde von unten nach oben durchgeleitet. Die erforderliche Reakti­onswärme wurde durch Verbrennen der Reaktions­gase erzeugt. Diese Verbrennung erfolgte in den Räumen zwischen den Aktivierungsschächten. Durch weitere Abkühlung der Verbrennungsgase wurde Dampf erzeugt. Um besonders aktives Mate­rial zu erhalten, war es bis etwa 1973 üblich, die äußere Schicht des aktivierten Materials abzureiben und den Rest noch einmal durch den Schachtofen zu schicken.

2.22 Drehofen-Aktivierung (1936 -1995)

Die Aktivierung im Drehofen erfolgte im Gleich­strom. Die Eingabe des Rohstoffs, die Aufheizung mit Hilfe eines Gasbrenners und die Einleitung von Dampf (ab 1983 auch Abwasser aus der Essigsäu­re-Produktion anstelle von Dampf) erfolgte am Kopf des Ofens, der bei leichtem Unterdrück betrieben wurde, um längs des Ofens durch Einsaugen von Luft noch eine Teilverbrennung der Reaktionsgase und damit die Erhaltung der erforderlichen Tempe­raturen zu erreichen. Am Ofenende wurde das akti­vierte Material ausgetragen. Die Reaktionsgase wurden vollständig verbrannt; die entstehende Wärme wurde für Schwel-und Trocknungsprozeße (siehe unten) und in Abhitzekesseln zur Dampfer­zeugung ausgenutzt.

Als Rohmaterial eingesetzt wurden: Holzkohle­Grieß unterschiedlicher Körnung, zylinderförmiges Schweigut (siehe unten) mit unterschiedlichem Durchmesser und Braunkohlen-Schwelkoks.

Durch Veränderung des Durchsatzes pro Stunde wurde der Grad der Aktivität beeinflußt.

2.3 Handelsformen der Aktivkohlen in Brilon-Wald wurde puiverförmige, unregelmäßig gekörnte und zu Zylindern geformte Aktivkohle hergestellt („Pulverkohle“, „Komkohle“, „Formkoh­le“).

2.31 Pulverkohle

Für die Herstellung von Pulverkohle wurde akti­viertes Material aus den Schachtöfen und im Dre­hofen aktivierter Braunkohen-Schwelkoks sehr fein vermahlen. Auch Unterkom, das bei der Korn- und Formkohleproduktion anfiel, wurde teilweise ver­mahlen. Ausgangsprodukt für die sog. Medizinal­kohle war Unterkom aus der Formkohleproduktion, das ein zweites Mal im Drehofen aktiviert worden war.

Ein Teil des Mahlguts wurde mit Salpetersäure und anschließend mehrmals mit Wasser gewaschen. Dazu wurde es in Bottiche gefüllt, mit Waschflüs­sigkeit behandelt, mit einem Saugzelienfilter abfil­triert und schließlich im Etagentrockner getrocknet. Die einzelnen Mahl- bzw. Waschanlagen wurden im Laboratorium untersucht und dann in einer Misch­trommel untereinander so vermischt, daß die vom Kunden verlangten Eigenschaften erreicht wurden.

2.32 Kornkohlen

Komkohlen wurden aus Holzkohle-Grieß oder Braunkohlen-Schwelkoks im Drehofen hergestellt und dann gesiebt, weil die Kunden bestimmte, aber unterschiedliche Komfraktionen wünschten. Ein Teil der Produkte wurde vor der Siebung in Holzbotti­chen mit Salzsäure und anschließend mehrmals mit Wasser gewaschen und dann in Trockentrommeln getrocknet.

2.33 Formkohlen

Die Zylinder mit unterschiedlichem Durchmesser wurden vor der Aktivierung geformt. Dazu wurde der Einsatzstoff (Holzkohle, Anthrazit oder Braun­kohlen-Schwelkoks) sehr fein vermahlen und dann in Knetern (wie sie auch für die Brotteigherstellung verwendet werden) mit sehr zähflüssigem Stein­kohlen- oder Holzkohlenteer und mit Kalilauge ver­mischt. Das Mischgut kam in Strangpressen (wie sie auch für die Spagetti-Herstellung benutzt wur­den), wo die Zylinder entstanden. Das Preßgut gelangte in Drehrohre („Schwelöfen“), wo bei ca. 400* die Teerbestandteile zersetzt wurden. Anschließend erfolgte die Aktivierung in Drehöfen. Das Aktivat wurde in Waschbottiche eingetragen, in denen durch 15- bis 20-maliges Auffüllen und Wie­derablassen von Wasser die Kalilauge ausgewa­schen wurde. Anschließend erfolgte die Trocknung des Waschgutes in Drehrohren („Trockentrom­meln“).

Der Zusatz von Kalilauge vor der Aktivierung war unbedingt erforderlich, um die richtige Porenstruktur zu erreichen. Das bei der Auswaschung der Kalilau­ge anfallende Abwasser bereitete dem Werk in den letzten 15 Jahren seines Bestehens erhebliche Pro­bleme.

Das Abwasser war stark alkalisch und mußte des­halb neutralisiert werden. Dies erfolgte zunächst durch Hindurchleiten von Rauchgasen, die Kohlen­säure enthielten; später wurde Salzsäure verwen­det. Außerdem war das Abwasser schwarz durch mitgeführte Kohleteilchen und mußte deshalb durch Absetzbecken geführt werden (Der dabei gewonne­ne Schlamm wurde getrocknet und als minderwerti­ge Aktivkohle verkauft). Auch eine Abkühlung des Abwassers in Kühttürmen war erforderlich. Schließ­lich fand man heraus, daß das Abwasser auch Cya­nide enthielt, die dann durch Zusatz eines Über­schusses an Natriumhypochloritlösung zersetzt wurden. Der Hypochlorit-Überschuß wurde zuerst mit Natriumthiosulfat und später durch Hindurchlei­ten durch einen mit Aktivkohle gefüllten Behälter zerstört.

Bei dieser Arbeitsweise wurden die normalerweise ungiftigen komplex gebundenen Cyanide (Hexacyanoferrate) nicht zerstört. Da diese sich jedoch bei Sonnenlichteinwirkung in der Hoppecke in fischgif­tige Substanzen zersetzten, wurde in den letzten Jahren das Wässer auch noch mit ultraviolettem Licht bestrahlt. Außerdem wurde in den letzten Jah­ren auch ein Teil des Abwassers eingedampft und dabei die Kalilauge teilweise zurückgewonnen.

Zum Teil wurde die mit Wasser ausgewaschene Aktivkohle anschließend in Holzbottichen auch noch mit Salzsäure, dann wieder mehrfach mit Wasser gewaschen und schließlich getrocknet.

Die getrockneten Formkohle-Chargen wurde im Laboratorium untersucht und durch Vermischen mehrerer Chargen auf die erwünschte Aktivität ein­gestellt. Das Material wurde noch gesiebt und ver­packt.

2.34 Imprägnierte Aktivkohlen

Es gab eine Apparatur, in der Kom- und Formkoh­len mit Lösungen von Chemikalien (z.B. Jod, Silbemitrat, Kaliumpermanganat, Phosphorsäure) besprüht oder getränkt werden konnten. Durch an­schließendes Trocknen (zuletzt stand dafür ein Fließbett-Trockner zur Verfügung) wurden Aktiv­kohlen für besondere Einsatzzwecke erhalten.



Holz- und Aktivkohlefabrik von Brilon-Wald

Chronologischer Überblick über die wichtigsten Ereignisse der Geschichte.

Eine zusammenfassende Darstellung enthält der anliegende Beitrag aus dem „Briloner Heimatbuch“, Band IV (siehe Anlage 1).

1. Die Geschichte bis 1947.

Die Werksgeschichte bis zum Jahr 1947 wurde im ebenfalls anliegenden Überblick von Theodor Brocksiepe (siehe Anlage 2) festgehalten, den die­ser anläßlich des 75-jährigen Bestehens der Firma Degussa verfaßt hat. Nähere Einzelheiten dazu enthält auch die anliegende Darstellung von Theo­phil Reichert (siehe Anlage 3) über die in erster Linie von ihm stark beeinflußten Jahre von 1925 bis 1945.

2. Die Geschichte von 1947 bis 1995.

Es ist mir leider nicht möglich, für die Zeit nach 1947 so detaillierte Datumsangaben zu machen, wie wir sie in den Berichten von T. Brocksiepe und Reichert finden. Die im Werk erstellten Monats­- und Jahresberichte sind mir nicht mehr zugänglich. Bei der Degussa sind diese Berichte angeblich nicht mehr vorhanden.

In den ersten Nachkriegsjahren hatte es der Be­reich „HIAG“, so hieß damals die organische Sparte der Degussa, sehr schwer, weil im Osten wichtige Produktionswerke verloren gegangen waren und außerdem Mangel an für die Verkohlung geeigne­tem Holz bestand. Viele Verkohlungsanlagen wur­den in dieser Zeit stillgelegt. Das Werk Brilon-Wald war damals jedoch nicht gefährdet.

1948 wurde ein Schachtofen mit Nebenanlagen für die Herstellung von Pulverkohle errichtet, weil eine solche Anlage der Degussa in Ratibor (Schlesien) verloren gegangen war. 1955 folgte ein zweiter Schachtofen. Diese Anlagen waren bis 1995 in Betrieb.

1949 kam Dr. Hanns Schnürle als Werksleiter nach Brilon-Wald. Er hatte bis zum Kriegsende das Werk Greifenhagen in Pommern, dann kommissa­risch für 13 Monate das Werk Brilon-Wald und schließlich bis zu dessen Stillegung das Werk Zü­schen (heute Ortsteil von Winterberg) geleitet. Wegen der Stillegung des Werkes Öventrop (bei Arnsberg) wurde die bis dahin dort durchgeführte Herstellung von „Eisenbeize“ nach Brilon-Wald verlagert.

Seit 1951 wurde im neu errichteten Gebäude 7 aus einem Teil des Schwelguts, wie es seit Jahren für die Produktion von Formkohle hergestellt wurde, das „Durferrit-Kohlungsgranulat“ gewonnen, das von der Abteilung „Durferrit“ der Degussa als Hilfs­stoff für die Metallbearbeitung verkauft wurde. Etwa um die gleiche Zeit wurde eine Anlage zur Auswa­schung von Pulverkohle mit Salpetersäure im neu­en Gebäude 8 errichtet.

1954 wurde das sogenannte Wohlfahrtsgebäude (Bau 52 im Lagepian) abgerissen und die „Kohlen­halle“ (Bau 2) beträchtlich erweitert, um Platz für die Vergrößerung der Kapazität für Pulverkohle zu ge­winnen.

1955 wurde eine Anlage zur Kühlung der frisch erzeugten Holzkohle ( 4 Kühlbunker und 3 Dreh­kühlbunker) errichtet und gleichzeitig die Mahl- und Siebanlage für die Herstellung von Holzkohlengrieß modernisiert.

Anfang 1957 waren im Werk 224 Arbeiter und 42 Angestellte beschäftigt. Es begann eine Investition­stätigkeit, die die Einsparung von Arbeitskräften durch Mechanisierung zum Ziel hatte.

Für den innerbetrieblichen Transport wurden Ga­belstapler angeschafft. Auf dem Holzplatz wurde eine Halle (Bau 38) gebaut, in der Sägen zur Zer­kleinerung von Holz arbeiteten. Das zerkleinerte Holz wurde von dort mit einem Metallförderband in die neue Holzlagerhalle (Bau 37) transportiert. Von dort wurde ein Transportband unter der Bundes­straße hindurch und dann über die Hoppecke hin­weg bis zu den Verkohlungsretorten errichtet. Durch diese Maßnahmen sank die Zahl der Beschäftigten in 2 Jahren um 52 Leute und die Schmalspurbahn, mit der das Holz zuvor über die Bundesstraße hin­weg transportiert wurde, konnte demontiert werden. 1961 wurden Lagerhallen für Holzkohle (Bau 55 über der Hoppecke) und für Apparate-Reserveteile (Bau 58 auf dem Holzplatz) errichtet. Außerdem wurde die Kapazität für Formkohle durch Errichtung des Drehofens IV mit Nebenanlagen im Gebäude 5 und einer Misch-, Sieb-, Abpack- und Lagerstation (Bau 57) stark erhöht. Schließlich wurde in diesem Jahr auch die Teerdestillationsanlage wesentlich vergrößert, weil Anlagen zur Aufarbeitung von Holzteer aus dem Schwesterwerk Bruchhausen (bei Arnsberg) übernommen wurden. (Dort war bereits 1948 die Holzkohleproduktion aufgegeben, die Aufarbeitung der Nebenprodukte Holzgeist und Holzteer jedoch noch weitergeführt worden).

1964 übergab Dr. Schnürle die Werksleitung an Dr. Emrich, der bereits seit 1962 im Werk war.

1965 wurde ein Holztrockner in Betrieb genommen. Dies führte zu einer Steigerung der Kapazität der Verkohlungsanlage auf über 1000 Tonnen Holz­kohle im Monat und zur Möglichkeit der Verarbei­tung des sog. Industrie-Restholzes. Dieses ent­stand beim Verarbeiten von Buchenholz in Säge­werken und Möbelfabriken in großen Mengen und ersetzte dann nach einigen Jahren fast vollständig das Waldholz.

Außerdem wurde 1965 ein neuer Dampfkessel er­richtet, der nicht mehr mit Steinkohle, sondern mit schwerem Heizöl betrieben wurde.

Am 01. 07. 1967 ging die Leitung des Werkes auf Dr. Hans-Joachim Mann über. Er ließ einen Eta­genofen für die Regenerierung gebrauchter Aktiv­kohlen errichten, der bei den erforderlichen Tempe­raturen jedoch nicht wirtschaftlich arbeitete und deshalb später wieder abgerissen wurde.

1971 wurde die Organisation der Firma Degussa grundlegend geändert. Es wurden für die einzelnen Arbeitsgebiete gewinn-orientierte Geschäftsberei­che gegründet.

Es entstand auch der Geschäftsbereich „Ver­kohlung“, der für die Erzeugung und den Vertrieb der in den Werken Bodenfelde und Brilon-Wald hergestellten Produkte Holz- und Aktivkohle mit den Nebenerzeugnissen der Holzverkohlung zuständig war. Dr. Mann wurde zum Leiter dieses Bereichs ernannt und nach Frankfurt versetzt. Die Leitung des Werkes Brilon-Wald übernahm Dr. Horst­Günter Brocksiepe (siehe Anhang. Personen und Familien, die für das Werk besonders wichtig wa­ren), der gleichzeitig auch weiterhin Leiter des Werkes Bodenfelde an der Weser blieb.

1972 wurde wegen eines Großauftrags für geformte Aktivkohle aus der Sowjetunion kurzfristig der Dre­hofen V mit Nebenanlagen errichtet. Im gleichen Jahr wurde mit der Errichtung eines Gleisanschlus­ses für den Holzplatz begonnen, der die Anlieferung von Industrie-Restholz aus größeren Entfernungen und den Vertrieb von Produkten erlaubte, die we­gen Platzmangel auf dem Holzplatz gelagert wur­den.

Trotz der guten Auftragslage bei Aktivkohlen war die wirtschaftliche Situation nicht gut. Die Produkti­on der qualitativ recht hochwertigen Produkte erfor­derte einen relativ hohen Aufwand, zumal die Pro­duktpalette recht umfangreich und deshalb die Lo­gistik recht kompliziert war. Die Kunden orientierten sich an den niedrigeren Verkaufspreisen der Kon­kurrenten, die wesentlich größere Kapazitäten für Einheitsprodukte besaßen und deshalb billiger pro­duzieren konnten.

Meiner Meinung nach haben die für den Verkauf der Aktivkohlen bei der Degussa damals zuständi­gen Mitarbeiter in Frankfurt/Main diese Situation bei ihrer Strategie nicht ausreichend berücksichtigt. Hinzu kommt, daß Investitionen zur Verbilligung der Produktion nicht gemacht wurden.

1975 beabsichtigte man, im Werk einen weiteren Drehofen aufzustellen. Der Vorstand der Degussa nahm dies zum Anlaß, um sich in einer Sitzung, die im Werk stattfand, Gedanken über die Zukunft zu machen. Innerhalb des Vorstands gab es Leute, die das Werk Brilon-Wald schließen wollten. Dr. Wolf­gang Weigert, der am 01. 04. 1977 Vorsitzender des Degussa – Vorstandes werden sollte, setzte jedoch seine Meinung durch und es wurde be­schlossen, das Werk zu modernisieren.

Nunmehr wurden im Gebäude 7 der Drehofen VI und eine Trockentrommel errichtet. Verwendet wur­de eine Hälfte eines sehr langen Drehrohres, das 10 Jahre vorher für die Herstellung von Methionin nach einem neuen Verfahren im Degussa-Werk Wesseling bei Köln verwendet werden sollte. Die vorgesehene Arbeitsweise funktionierte dort jedoch nicht. Die zweite Hälfte des Drehrohres liegt noch heute – Anfang 1999 – an der Südgrenze des Holz­platzes.

Am 01. 10. 1976 übernahm ich die Leitung des Werkes, in dem zu diesem Zeitpunkt kein Diplom -Chemiker (10 Jahre vorher waren es noch 4) mehr beschäftigt war. Kurz vorher war die seit dem 2. Weltkrieg in Brilon-Wald ansässige Aktivkohle- Entwicklungs- und Anwendungsabteilung in das Werk Wolfgang bei Hanau verlegt worden. Bis 1981 war ich aber weiterhin Dr. Brocksiepe in seiner Ei­genschaft als Produktionsleiter des Geschäftsbe­reichs „Verkohlung“ unterstellt.

Leider verstarb im August 1976 überraschend der oben erwähnte Dr. Weigert. Dies und die Ablösung von Dr. Mann als Geschäftsbereichsleiter führten dazu, daß für die vorgesehenen Rationalisierungs­maßnahmen zunächst keine finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt wurden.

Immerhin konnte erreicht werden, daß Geld für den Bau einer Abwasser-Neutralisationsanlage ausge­geben wurde. Bis zum Juni 1980 wurde das Abwas­ser überwiegend sehr stark alkalisch in die Hop­pecke abgeleitet.

1980/81 wurden das Laboratorium (Bau 12), die Fahrzeugwerkstatt (Bau 41) und das ehemalige Werksieiter-Wohnhaus (Bau 36) abgerissen, weil die Bundesstraße 251 verlegt wurde. Die Kosten für die Errichtung eines neuen Laboratoriums (fast auf dem Platz des alten), einer Feuerwehrgarage (Bau 85) und einer neuen Fahrzeugwerkstatt (Bau 87) wurden hauptsächlich vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, der auch den Neubau der Bun­desstraße bezahlte, getragen.

Am 30. 05. 1980 wurde das 100jährige Bestehen des Werkes in der Schützenhalle der Stadt Brilon gefeiert.

Am 01. 09. 1980 wurde mir von Dr. Sattler­-Dombacher – Mitglied des Vorstandes der Degussa – mitgeteilt, daß nunmehr doch die Schließung des Werkes vorgesehen sei. Eine Kommission unter Leitung von Dr. Schreyer sei jedoch beauftragt wor­den, die wirtschaftlichen Aussichten des Arbeitsge­bietes „Aktivkohle“ noch einmal zu überprüfen. Ge­meinsam mit den leitenden Mitarbeitern des Werkes habe ich daraufhin ein Konzept für die Sanierung der Aktivkohleproduktion ausgearbeitet und vorge­legt. Nach intensiver Überprüfung wurde dieses vom Vorstand schließlich genehmigt.

Der Geschäftsbereich „Verkohlung“ wurde 1981 aufgelöst; die Werke Bodenfelde und Brilon-Wald wurden in den Geschäftsbereich „Anorganische Chemieprodukte“ der Degussa eingegliedert. Dr. Schreyer wurde Produktionsleiter dieses Bereichs und damit mein direkter Vorgesetzter in der Frank­furter Degussa-Zentrale.

Nunmehr wurden Mittel für Investitionen bereitge­stellt, die das Ziel hatten, den innerbetrieblichen Transport wesentlich zu vereinfachen und damit Personal für die gleichzeitig geplante Vergrößerung der Aktivkohlekapazität freizustellen. Verbunden damit waren Maßnahmen zur Verbesserung der Abwasser-und Abluftqualität, sowie der Geräusch­Emissionen.

Diese Maßnahmen führten zu einer wesentlichen Veränderung des Aussehens der Fabrik, denn es entstanden Anlagen, die teilweise fast 30 m hoch waren.

Die wichtigste Maßnahmen, die zwischen 1982 und 1986 abgeschlossen wurden, waren:

  1. Bau von Anlagen, die zu einer wesentlichen Senkung von Schadstoffen im Abwasser führ­ten.
  2. Errichtung einer Anlage für die Lagerung und Bearbeitung von Rohstoffen zur Produktion von Aktivkohle, bestehend aus einem Steinkohlen­teer-Tank (Bau 91), je einem Großsilo für Braunkohlenkoks, Anthrazit und Holzkohle, ei­nem kleineren Holzkohlesilo und einer Mühle (alles im Bau 90), einer pneumatischen Förder­anlage und 2 Zwischensilos (auf dem Bau 5c) für die gemahlenen Rohstoffe.
  3. Vergrößerung der Anlage zur Herstellung von Preßgut für die Formkohleproduktion in den Gebäuden 2 und 5c (weiterer Mischer, weitere Presse, Förderbänder zu den Schwelöfen).
  4. Förderanlage und 2 Zwischensilos (über der Südseite von Gebäude 5e) für Rohstoffe der Drehöfen IV und V.
  5. Einrichtung einer zentralen Meßwarte und einer neuen Elektroverteilung im Bau 5g.
  6. Förderanlage für Schwelgut in neue Silos über den Drehöfen III (Bau 5a) und VI (Bau 8, Nord­seite).
  7. Automatisierung der Auswaschprozesse.
  8. Einbau von Leitschaufein in die Drehöfen zur Kapazitätssteigerung.
  9. Bau neuer Abpackeinrichtungen und eines zweiten Silos für den Versand von Pulverkohle in Silofahrzeugen (neben dem Bau 57b) (das erste Silo war 1975 aufgestellt worden).
  10. Aufstellung von 2 geliehenen Großzelten für Fertigproduktlagerung auf dem Holzplatz.
  11. Verlegung einer Sammelleitung für Nieder­schlagswasser im Hoppeckebett. Weil dieses Wasser durch Staub von den Hof-und Dachflä­chen verunreinigt war, wurde es später (1990) in ein Sammelbecken geleitet und dann über die Abwasserkläranlage in die Hoppecke ab­geleitet.
  12. Errichtung von Tanks für Salz-und Salpetersäu­re.
  13. Errichtung einer weiteren Trockentrommel, eines Abhitzekessels, eines Staubfilters, eines Saug­zuggebläses und eines Kamins westlich der Gebäudes 7 und 8 als Freiluftanlage direkt ne­ben der Bundesstraße auf dem Gelände, das erst nach der Verlegung der Bundesstraße er­worben wurde (Bau 99). Damit wurde eine bes­sere Energie-Ausnutzung und eine praktisch vollständige Verbrennung und Entstaubung der Abgase aus den Drehöfen II, III und VI erreicht.

Nicht mehr ausgeführt wurde der geplante Aus­tausch des Drehofens III (seit 1944 im Werk in Be­trieb, zuvor schon in der Zementindustrie in Benut­zung).

Auch die geplante Anlage für die Qualitätseinstel­lung und Lagerung von Korn- und Formkohle in Silos, die planerisch erhebliche Schwierigkeiten machte, die aber auch zu wesentlichen Perso­

naleinsparungen geführt hätte, wurde nicht mehr errichtet.

1986 setzten sich in der Degussa-Zentrale Strö­mungen durch, die den Abbruch des Sanierungs­konzeptes forderten. Dabei wurde übersehen, daß finanzielle Einsparungen erst nach Abschluß der Arbeiten zu erwarten waren und daß Personalein­sparungen im vorgesehenen Umfang auch deswe­gen nicht erreicht werden konnten, weil Arbeitszeit­verkürzungen eintraten, Überstunden abgebaut und auch größere Fertigproduktmengen mit den her­kömmlichen Mitteln verarbeitet werden mußten.

Da ich Vorstellungen der leitenden Mitarbeiter des Werkes in der Zentrale nicht mehr durchsetzen konnte und um einer deswegen drohenden Verset­zung in ein anderes Werk zuvor zu kommen, habe ich Ende April 1986 meinen Rücktritt als Werkslei­ter erklärt und den Vorstand der Degussa gebeten, in untergeordneter Stellung im Werk bleiben zu dürfen.

Am 01.10. 86 wurde dann Dr. Gerhard Düsing Werksleiter. Ein Jahr später wurde vom Vorstand bekanntgegeben, daß man die Werke Bodenfelde und Brilon-Wald verkaufen wolle. Falls sich kein Käufer finden würde, sei die Schließung beabsich­tigt.

Damals ergab die Kostenrechnung für Aktivkohle folgendes Bild:

  • Rohstoffkosten: ca. 12 Mill. DM
  • Personalkosten in Brilon-Wald: ca.12 Mill. DM
  • Sonstige Kosten in Brilon-Wald: ca.12 Mill. DM
  • Kosten für die Aufgaben in der Zentrale (Vertrieb, Anwendungstechnik, technische Betreu­ung) und Gewinnerwartung ca.12 Mill. DM

Gesamtkosten: ca. 48 Mill. DM

Dem standen Verkaufserlöse von ca. 40 Mill. DM gegenüber; es wurde also ein Verlust von acht Mil­lionen DM ausgewiesen.

Die leitenden Werksmitarbeiter waren der Meinung, daß man Vertrieb und Anwendungstechnik auch deutlich billiger haben könne. Außerdem erklärte sich die Firma Lurgi bereit, diese Aufgaben zu übernehmen, als die Verkaufsabsichten der Degus­sa bekannt wurden (die Lurgi hatte schon seit Jahr­zehnten für die von ihr gebauten Gas- und Abwas­serreinigungsanlagen Aktivkohle weiterverkauft). Deshalb waren einige Werksmitarbeiter bereit, das Werk selbständig in eigener Regie weiterzuführen, falls sich kein Käufer finden würde.

Doch die Degussa lehnte dies ab und fand zum 01. 05. 88 als Käufer die Calgon Carbon Corporation, Pittsburgh/Pennsylvania. Diese Firma war einige Jahre zuvor auch durch Ausgliederung aus einem großen Konzern und Weiterführung durch leitende Mitarbeiter entstanden und zu einem führenden Aktivkohlehersteller geworden. Sie beschäftigte damals ca. 500 Mitarbeiter in den USA und etwa 150 Leute in Werken in Belgien und England, die unter dem Namen „Chemviron Carbon“ geführt wurden.

Fast wäre der Verkauf gescheitert, weil die Calgon Carbon das Werk Bodenfelde nicht haben wollte.

Ich mußte am 31. 12. 1988 das Werk verlassen und zur Degussa (Werk Marquart in Bonn-Beuel) zu­rückgehen.

Anschließend wurden im Werk nur noch auf be­hördlichen Druck Investitionen durchgeführt, die der Verbesserung von Abwasser und Abluft dienten. Dies waren:

  • Bau eines Regenwasser-Rückhaltebeckens
  • Anlage zur Eindampfung von Abwasser
  • Anlage zur Zerstörung komplex gebundener Cyanide im Abwasser
  • Aufstellung eines Tanks für Holzteer in einer Betonwanne (anstelle des früher dort stehen­den Gebäudes 21)
  • Errichtung eines Staubfilters für die Abgase der Abhitzekessel 3 und 4, in denen die Gase aus den Schwelanlagen und den Drehöfen IV und V verbrannt und unter Dampfgewinnung abgekühlt wurden
  • Umstellung des Dampfkessels auf Erdgas­feuerung.

Die Verkohlungsanlage (und damit auch die Essig­säuregewinnung) wurde 1992 stillgelegt mit der Begründung, daß die erforderlichen Maßnahmen zur Abluftreinigung zu teuer wären. Die Apparate aus den Gebäuden 4 (Verkohlung)und 13 (Essig­säuregewinnung) wurden demontiert.

Werksleiter wurden:

  • 1989 Tony Wiersbowsky
  • 1991 Hermann-Josef Gottschlich (seit 1969 im Werk als Leiter des Aktivkohlebetriebs)
  • 1993 Karl-Heinz Schunda (zuvor Werksingenieur, dann von 1989 -1993 und seit 1995 wieder Leiter des Werkes Bodenfelde)

Am 18. 01. 1995 wurde verkündet, daß das Werk geschlossen wird. Die Aktivierungsanlagen wurden im Juni abgestellt. Etwa die Hälfte der Belegschaft wurde zum 30. 06., der Rest (bis auf etwa 10 Leute) zum 30. 09. 95 entlassen. Die Abfindung für die entlassenen Mitarbeiter war nach dem Alter und der Länge der Betriebszugehörigkeit gestaffelt und lag insgesamt bei 9,5 Mill. DM.

Bis zum Dezember 1995 liefen noch Wasch-, Sieb- und Abfüllanlagen, um noch eingelagerte Ware verkaufbar zu machen.

3. Die Fabrik nach der Stillegung

Der Vertrieb wurde am 31. 03. 1996 eingestellt. Das bewegliche Inventar – einschließlich der Zelte auf dem Holzplatz – wurde größtenteils bis Mitte 1996 aus dem Werk geholt. Vieles übernahm das Werk in Bodenfelde.

Anfang 1996 wurde bei der Bauaufsichtsbehörde der Stadt Brilon eine Abbruchgenehmigung bean­tragt.

Das Konzept der Firma Chemviron lautete:

  • Alle Anlagen und Gebäude werden bis zum Erd­boden abgerissen.
  • Die vorhandenen Bodenplatten bleiben erhalten und werden – soweit erforderlich – abgedichtet.
  • Der Erdboden unter den Anlagen bleibt unbe­rührt.

Ich vermute, daß unter den Gebäuden 3, 4, 5, 13, 14, 15. 16, 22, 29, 30 und 31 (maximal 5.000 Quadratmeter) bis in einer Tiefe von 1-2 Metern (dar­unter laufen Grundwasserströmungen) organische Bestandteile des Holzessigs und des Holzteers den Boden verunreinigen, denn in den ersten Jahr­zehnten der Produktion waren die Fußböden in den Anlagen nicht versiegelt. (Mehr oder weniger flüs­sigkeitsdichte, befestigte Böden wurden erst erfor­derlich, als Transportvorgänge mit Staplern durch­geführt wurden). Da die Anlagen aber überdacht waren, wurden ausgelaufene Flüssigkeiten nicht von Regenwasser bis in das Grundwasser ausge­waschen.

Trotzdem bin ich der Meinung, daß das Konzept der Firma richtig war, denn wenn Dächer und Boden­platten beseitigt sind, werden die Verunreinigungen im Boden bei Niederschlägen „mobil“, d. h. sie wür­den dann in das Grundwasser geraten. Wenn spä­ter bei Bauarbeiten ausgeschachtet werden muß, sind allerdings genaue Untersuchungen des aus­gehobenen Bodens erforderlich, bevor dieser de­poniert wird.

Am 14. 11. 1996 erteilte die Bauaufsichtsbehörde die Abbruchgenehmigung.

Doch die Firma Chemviron machte von dieser Ge­nehmigung nur sehr wenig Gebrauch. Demontiert wurden nur Anlagenteile, die man woanders ver­wenden konnte. Die 1995 noch schriftlich gegebene Zusage, daß man alle Gebäude ausräumen und entfernen werde, wurde nicht eingehalten. Stattdessen machte man das Angebot, das Gelände an die Stadt Brilon für den symbolischen Preis von 1,— DM zu verkaufen. Man zeigte sich sogar bereit, noch 5 Millionen DM dazu zu zahlen.

Es kam zu langwierigen Verhandlungen zwischen Vertretern und Rechtsanwälten der Firma mit Ver­tretern der Stadt Brilon unter der Leitung von Stadtdirektor Schüfe. Am 27. November 1998 wurde schließlich ein notarieller Kaufvertrag abgeschlos­sen, dem der Rat der Stadt Brilon am Vortag ein­stimmig zugestimmt hatte. Das Gelände gehört nun dem Grundstücksfond des Landes Nordrhein­-Westfalen, in den die Fa. Chemviron noch neun Millionen DM eingezahlt hat. Die Landesentwick­lungsgesellschaft (LEG), die diesen Fonds bewirt­schaftet, hat zugesagt, im Verlauf von sechsund­dreißig Monaten das Gelände so herzurichten, daß es wieder bebaut werden kann.

Am 09. 02. 1999 wurde in einem Gespräch zwi­schen Vertretern des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Brilon festgelegt, daß mit der De­montage des Werkes im Juni 1999 begonnen wer­den soll. Über die Durchführung der Arbeiten, die zu einer neuen Nutzung des geländes führen, wird eine separate Dokumentation erstellt. Deshalb schließe ich hiermit heute, am 10. 02. 1999, meinen Bericht über die Geschichte der Holzkohle- und Aktivkohle-Produktion von Brilon-Wald.