Ganz schnell Kohle machen

IMG_0001Das 72. Symposium des ANS e. V. zu Biokohle in Berlin

In der Branche, die sich mit Energie aus Biomasse beschäftigt, kann man aufatmen. Es ist nicht damit zu rechnen, daß Kohle aus Biomasse (Biokohle, BioChar) in nennenswertem Umfang im Boden vergraben wird. Damit soll Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden (Sequestrierung) werden und die Bodenfruchtbarkeit soll sich phänomenal verbessern. Mit der Feststellung »Das ist nach dem Düngerecht nicht erlaubt« hat Hans-Walter Schneichel als Geschäftsführer der Länderarbeitsgemeinschaft der Düngemittelverkehrskontrollstellen hat manchen euphorischen Teilnehmern einen Dämpfer verpasst.
Das 72. Symposium des ANS e. V. (Arbeitskreis für die Nutzbarmachung von Siedlungsabfällen e. V.) am 5. und 6. Oktober 2011 beschäftigte sich mit dem Thema „Biokohle – Klimaretter oder Mogelpackung?“ gewählt worden. Ein bewußt provokant gewählter Titel, wie Prof. Rainer Wallmann, der 2. Vorsitzende des ANS bei der Begrüßung zugeben mußte. Aber ein erfolgreicher Schachzug, denn alle Akteure waren in großer Zahl gekommen: Rund 200 Teilnehmer angefanden mit den Herstellern von Kohle aus Biomasse – sowohl die Pyrolyse, als auch die Hydrothermale Carbonisierung, kurz HTC – über die Anwender von Biokohle in der Landwirtschaft bis zu Energieversorgern. Internationales Flair brachte die Beteiligung des Interreg1) NSR Biochar Projekts an dem Forschungseinrichtungen aus Belgien, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und Schottland mit deutschen Forschern von der HAWK, Hochschule fur Angewandte Wissenschaft und Kunst die alle Asplekte des Themas bearbeiten.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt befindet sich die Nutzung von Biokohle im Pflanzenbau noch im Versuchsstadium. Es werden zahlreiche Feldversuche durchgeführt, deren Ergebnisse kein bisher eindeutiges Bild ergeben. Dabei war die Idee aus dem Praxiseinsatz von Holzkohle bei untergegangenen Hochkulturen der Indios in Amazonien übernommen worden, wo meterhohe Schichten aus fruchtbarer „Terra Preta“ entdeckt worden waren. Neben Fragen, wie Toxizität und Stabilität spielt auch die Frage des Preises eine Rolle. Es wurde bezweifelt, ob ein Landwort Biokohle im Wert von einigen 1.000 € pro Hektar bei ungewissem Nutzen im Acker vergräbt. Aber der Preis spielt auch bei der alternativen Nutzung der Biokohle als Brennstoff eine entscheidende Rolle.

Brennstoff aus feuchter Biomasse

Die Biokohle kann ihre Wurzeln als Entsorgungsverfahren nicht leugnen. Die erste HTC-Anlage mit industriellen Dimensionen, die sein April 2010 in der Kläranlage von Kaiserslautern arbeitet, stellte Marc Buttmann vor. Er verwies auf Ansätze in den 1980er Jahren aus lästigem Klärschlamm eine Art Rohöl zu gewinnen. Heute werden täglich 1,6 t Kohle aus 8 m³ Klärschlamm gewonnen. In einem kontinuierlich beschickten Rohrreaktor zersetzt sich die Biomasse bei 200 °C und 20 bis 25 bar. Nach Entwässern in einer Kammerfilterpresse und Trocknen erhält man den Kohlenstoffanteil in Form eines Materials, das mit Braunkohle vergleichbar sei und somit als Brennstoff eingesetzt werden könne.
Nach solchen Ersatzbrennstoffen fahnden die Betreiber von Großkraftwerken. Unter den Teilnehmern war beispielsweise Dipl.-Ing. Michael Wurzel von EnBW, der meinte, dass man durchaus geneigt sei, den Einsatz von Biokohle in Erwägung zu ziehen, wenn „der Preis stimmt und die Mengen verfügbar sind.“ Die Mengen liegen bei Großkraftwerken um Größenordnungen über dem, was die Branche derzeit liefern kann und was an Biomasse nachwächst.
Die Köhler des 21. Jahrhunderts
Als gut eingeführter Brennstoff aus Biomasse wurde die Holzkohle vorgestellt, seit Jahrtausenden eine wichtige Grundlage der menschlichen Zivilisation. Ohne die Glut der Holzkohle könnten Erze nicht zu Metallen reduziert und diese Metalle geschmolzen oder geschmiedet werden.
Mit von vielen eindrucksvollen Bildern schildete Felix Jenny von der Entwicklingshilfeorganisation Abokobi aus der Schweiz die Produktions- und Vermarktungsstrukturen in Ghana. In primitiven Meilern wird Holzkohle aus Holzresten hergestellt. Ein Job für Frauen, denen das Produkt von Aufkäufern abgenommen wird, die es dann mit LkW in den Städten bringen. Dort ist das rauchfreie Brennmaterial für die Zubereitung von Speisen unverzichtbar, da Gas- oder Elektroherde rar sind.
Doch diese einfachen Verfahren erweisen sich als wenig umweltfreundlich. Schwelgase entweichen ungenutzt und werden allenfalls abgefackelt. Von Chris Adam war zu erfahren, dass der Verbrauch weltweit zwischen 25 und 100 Millionen t/a liegt, der mit einem Wirkungsgrad von bescheidenen 10 – 20 % erzeugt wird. Schon mit einfachen Retorten könne der Wirkungsgrad verbessert und vor allem die schädlichen Emmissionen drastisch reduziert werden.
In Europa gibt es hohe Anforderungen an Umweltschutz und Effizienz, die nur mit ausgefeilten technischen Systemen erfüllt werden können. Die German Charcoal GmbH2 hat ihre Produktionsanlagen im holzreichen Rumänien, wo sie Abfallholz nutzt, und präsentierte sich als einziger Hersteller, der Pflanzenkohle qualitätsgesichert in größeren Mengen zum Preis von 300 €/t liefern kann. Dr. Bernd Schottdorf stellte das von ihm entwickelte Konzept vor, das auch eine Nutzung der Schwelgase vorsieht. Von der Energie der Biomasse gelangen bei einem Durchsatz von 100 t pro Tag 35 MW in das Produkt und 17 MW können in einer Dampfturbine zur Erzeugung von Strom genutzt werden. Die Pflanzenkohle schon wird als Futterzusatz, als Geruchsbinder für Gülle und „Carbondünger“ für Acker, Garten und den Blumentopf verkauft. Für viele der Versuche zur Wirkung von Biokohle als Bodenhilfsmittel wurde das Material bei Schottdorf bezogen. Saubere Holzkohle ist nach Düngerecht zugelassen, nicht aber Kohle aus beliebigen Biomassen.
Der Erfinderpreis Rheinland-Pfalz war 2010 an PYREG GmbH gegangen. Deren Geschäftsführer Dipl.-Ing. Herbert Gerber präsentierte eine kompakte Pyrolyse-Anlage, die Abfallbiomasse bei 800 °C in eine schadstoffarme Kohle verwandelt. Die Pyrolysegase werden in einem FLOX®-Brenner durch flammenlose Oxidation so verbrannt, dass kein NOx entsteht. Die Wärme wird zur Beheizung des Doppelschneckenreaktors genutzt. Das ganze findet in einen 20″-Container Platz und hat sich mit den unterschiedlichsten Biomassen bewährt. Angefangen von Rinde, Nadeln, Stroh und Getreideabfällen über Grünschnitt und Rübenschnitzel bis zu Trester, Schlachtabfällen und Maissilage.
Ursprünglich für die Volumenreduziertung feuchter Abfallbiomassen, wie Klärschlamm entwickelt, will sich PYREG mit Biokohle als Bodenverbesserungsmittel positionieren. Immerhin können, je nach Ausgangsmaterial, bei einer Anlage mit einem Durchsatz von 150 kg Biomasse pro Stunde rund 150 kW Heizwärme an externe Verbraucher ausgekoppelt werden.
Auf dem Weg zur Massenproduktion
Einen konkurrenzfähigen Preis für Kohle aus Biomasse versprach Dr. Tobias Wittmann von der Firma SunCoal Industries GmbH3 aus Ludwigsfelde, im Süden von Berlin. Dort entsteht zur Zeit eine Anlage nach dem CarboREN-Verfahren, bei dem nach dem Prinzip der hydrothermalen Carbonisierung jährlich 50.000 t Frischmasse in 20.000 t Suncoal umgewandelt und als Staub in Großfeuerungsanlagen gehen sollen. Der Preis würde bei 75 bis 100 Euro je t liegen und es heißt, dass die gesamte Produktion schon an ein Contractingunternehmen verkauft wurde.
Dahinter steht die bw-energiesysteme GmbH aus Dresden, die von Dr. Bodo Wolf gegründet wurde, der in erster Linie durch das CHOREN-Verfahren zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe bekannt wurde. Die hydrothermale Kohle wird als idealer Rohstoff für Erzeugung von die Synthesgas betrachtet.
Das 72. Symposium des ANS hat gezeigt, dass die Umwandlung von Biomasse zu Kohle eine ernstzunehmende Ergänzung zur direkten Verbrennung von nativer Biomasse oder Pellets, aber auch zu biologischen Verfahren (Biogas, Bioethanol) darstellt. Die Protagonisten unterstreichen, dass Abfallbiomasse verwertet wird und können sich so der „Tank oder Teller“-Debatte als verantwortlich und umweltfreundlich positionieren. Doch es ist offensichtlich, dass alle Verfahren mit speziell angebauter Biomasse mindestens genausogut, wenn nicht besser funktionieren.
Durch die Verarbeitung zu Biokohle werden feuchte und volumniöse Biomassen kompaktiert und damit transportwürdig. Das Schüttgewicht der Biokohle ist zwar durch die große innere Oberfläche um ein Vielfaches höher als bei fossilen Kohlen, aber ein globaler Markt ist prinzipiell möglich.
Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob sich die Sequestrierung von Kohlendioxid durch Einlagern von Biokohle in der oberen Bodenschicht durchsetzen kann. Es wurde argumentiert, dass sich die chemisch und biologisch weitgehend inerte Biokohle förderlich auf das Bodenleben, speziell dessen Mikrobiologie, auswirkt, mineralisch Düngergaben fixiert und dosiert freisetzt, Lachgas bindet. Sogar der Botanische Garten Berlin, in dessen Hörsaal das Symposium stattfand, führte derzeit das Forschungsprojekt TerraBoGa4zum Einsatz von Biokohle durch. Das wird im Rahmen des Umweltentlastungsprogramms und aus Mitteln des Europäischen Fond für Regionale Entwicklung gefördert. Bislang war es dieser traditionsreichen Institution nicht gelungen, die benötigten 350 m³ Pflanzsubstrat pro Jahr aus den etwa 750 m³ Grünschnitt, 350 m³ Gehölzschnitt, 230 m³ Langgrasschnitt und 150 m³ Stammholz zu erzeugen, die auf den 43 ha Fläche und in den 15 historischen Schaugewächshäusern anfallen. Nun sollen auch noch die Fäkalien der etwa 200.000 Besucher einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden.
Roland Schnell
Siehe auch Carbonisierung als Vorstufe zur Verbrennung
Ausgabe 5 / 2010 energie pflanzen erschienen.
http://www.forstfachverlag.de/cms_ep/index.php/holzundbrennstoffe/4-allgemein/57-carbonisierung-als-vorstufe-zur-verbrennung

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